Kirchheim. Bei einem Onlinegespräch erläuterte der Nürtinger SPD-Abgeordnete Nils Schmid das neue Sorgfaltspflichtengesetz. Zu Gast war SPD-Fraktionsvize Katja Mast, die bei den Verhandlungen federführend war.
Um der Nachfrage Herr zu werden, beziehen Firmen ihre Rohstoffe und Produkte mittlerweile aus allen Winkeln der Erde. Der Verbraucher freut sich zwar über das umfassende Warenangebot, kann jedoch das oft damit einhergehende Leid nicht nachvollziehen. Mehr als 150 Millionen Kinder weltweit sind gezwungen, in Minen und Fabriken zu schuften. Sklaverei und Menschenrechtsverletzungen sind an vielen Stationen der Lieferketten an der Tagesordnung.
Um dem entgegenzuwirken, verabschiedete die Bundesregierung das Sorgfaltspflichtengesetz, das 2023 in Kraft treten wird. Große Unternehmen sollen so für Verletzungen der Menschenrechte innerhalb ihrer Lieferkette verantwortlich gemacht werden können. In Ländern wie Frankreich und den Niederlanden gibt es bereits ähnliche Regelungen; auch ein EU-weites Gesetz ist geplant.
Doch was bedeutet das konkret? Welche Strafen sind bei Verfehlungen vorgesehen? Diesen und weiteren Fragen widmete sich der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid gemeinsam mit Katja Mast, der Vize-Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion.
„Selbstverständlich gibt es bereits einige Unternehmen, die auch von sich aus für die Aufrechterhaltung der Menschenrechtsstandards achten“, machte Schmid zu Beginn klar: „Doch durch den hohen Konkurrenzdruck ist eine allgemeine Regelung nötig gewesen. Sonst ist der Ehrliche wie allzu oft auch der Dumme.“ Es habe daher immer mehr Stimmen aus der Wirtschaft selbst gegeben, dies auch gesetzlich festzuschreiben. „Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen gehören weltweit geächtet“, sagte Mast: „Und man muss sie ächten, indem Produkte, die durch sie entstehen, gar nicht erst auf den Markt kommen.“ Aufgrund gegenläufiger Lobbyarbeit sei es nicht selbstverständlich gewesen, dass das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden konnte.
Mit dem Gesetz habe der Bundestag nun einen guten Kompromiss gefunden, sagte Mast. Schließlich sei es nicht das Ziel gewesen, die Unternehmen mit Bürokratie zu überlasten. Die Firmen werden fortan einer Sorgfaltspflicht unterworfen. Diese bemesse sich daran, ob Kenntnis bestehen kann, dass es in der Lieferkette zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Eine solche Kenntnis könne vorausgesetzt werden, wenn es zum Beispiel öffentliche Debatten oder Berichte von Nichtregierungsorganisationen gibt. „Eine Näherin in Bangladesch, die in menschenunwürdigen Umständen arbeiten muss, wird in Zukunft ihre Rechte auch in Deutschland einklagen können“, sagte Mast. Klar sei aber, dass solche Personen weder über die Mittel noch die Möglichkeiten verfügen, um in Deutschland vor Gericht zu ziehen.
Dies wird über die Prozessstandschaft gelöst. Hierdurch kann ein Dritter im eigenen Namen fremdes Recht einklagen. Das können auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Kirche oder Gewerkschaften sein. „Darüber hinaus wird es eine Kontrollbehörde geben, die etwaige Vergehen kontrolliert und Busgelder aussprechen kann“, sagte Mast: „Das kann dazu führen, dass ein Unternehmen sich bis zu drei Jahre nicht an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen darf.“
Für welche Unternehmen diese Regelungen gelten werden, sei ein Zugeständnis an den Koalitionspartner gewesen, betonte Schmid. Wenn es im Januar 2023 in Kraft tritt, sind zunächst nur Firmen betroffen, die mehr als 3000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen. Ein Jahr später wird diese Grenze auf 1000 Mitarbeiter gesenkt.
Der Anfang ist gemacht
Ausländische Unternehmen berührt das Gesetz also nicht. Es sei denn, sie besitzen eine Zweigstelle in Deutschland, deren Mitarbeiterzahl die oben genannte Grenze überschreitet. Selbst bei etwaigen Menschenrechtsverstößen in ihrer Lieferkette können sie weiterhin ihre Produkte in Deutschland anbieten.
Trotzdem sei das Gesetz ein „Meilenstein für die Menschenrechte“, sagte Mast: „Mit anderen Mehrheitsverhältnissen kann es immer noch verschärft werden. Wichtig ist nun erst mal, dass es verabschiedet wurde.“ Johannes Aigner