Kirchheim

Meisterstück eines Ebenisten

Geschichte Vor 350 Jahren ist der Kunstschreiner Johannes Majer in Kirchheim geboren. Er gilt als einer der besten seiner Zunft in der damaligen Hochburg Kirchheim. Von Iris Häfner

Das türkische Boiserienkabinett.Foto: Arnim Weischer
Das türkische Boiserienkabinett.Foto: Arnim Weischer

Diesen Namen kennt so gut wie keiner mehr: Johannes Majer, Fürstlicher Cabinett-Schreiner. Geboren wurde er im Jahre 1667 in Kirchheim, und er war ganz Kind seiner Zeit. „Mit seinem Schaffen hat er sich in der Kunstgeschichte des Barock in Württemberg einen unvergänglichen Ruhm erworben, als er das türkische Boiserienkabinett in Ludwigsburg geschaffen hat“, schreibt Walter Weber vor 50 Jahren im Teckboten. Damals jährte sich das Geburtsjahr zum 300. Mal. Der Kunstschreiner hat das kostbar ausgestattete Kabinett als einen der frühesten Prunkräume des Ludwigsburger Schlosses in etwa sieben Jahren für Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg in mühevoller Miniaturarbeit geschaffen.

In einem der Kirchheimer Kirchenbücher wird am 14. Mai 1667 die Taufe eines Johannes Majer aufgelistet. Später wurde der Name auch Maier oder Mayer geschrieben. Es wird angenommen, dass die Herzogin-Mutter Magdalena Sibylla, die im Kirchheimer Schloss - dem Witwensitz - ihren Lebensabend verbrachte, das Talent des Kunsthandwerkers Majer gekannt hatte und ihrem Sohn empfohlen hat. Im Dienste des württembergischen Herrschers war Johannes Majer mit dem Titel „Herzoglicher Württembergischer Kabinettsebenist“ 1711 eingestellt worden - zuvor und danach gab es die Titulierung nie wieder. „Ebenist“ ist ein Handwerkertitel, der aus dem Italienischen kam und dann in Frankreich im 17. Jahrhundert ein Begriff wurde für die Mitglieder der Kunstschreinerzunft mit ihren Einlegearbeiten. Seit dem späten 16. Jahrhundert galt das schwarze Ebenholz als edelster Werkstoff für Möbel, worauf sich die Bezeichnung Ebenist gründet.

Das türkische Boiserienkabinett ist ein kleines, an Wänden, Boden und Decke holzverkleidetes, intimes Prunkgemach mit einem quadratischen Grundriss und gilt als eines der frühesten und kostbarsten Prunkräume im Ludwigsburger Schloss. Fachleute sprechen von einem „Muster hochstehenden schwäbischen Gewerbefleißes“, an dem Johannes Majer von 1713 bis 1719 gearbeitet hat. Die Ornamentik ist dem islamisch-persischen Kunstkreis entnommen und soll den Eindruck eines türkischen Zelts hervorrufen. „Die Intarsientechnik ist von einzigartiger, nicht mehr zu überbietender Qualität“, kommen Kenner ins Schwärmen.

Der Kunstschreiner hat einzelne Teile in seiner Kirchheimer Werkstatt hergestellt und dann an Ort und Stelle eingebaut. Bis zu 13 Gesellen und Jungen sollen bei ihm gearbeitet haben - und das, obwohl laut gültiger Schreinerhandwerksordnung im Höchstfall drei Gesellen ohne Jungen erlaubt waren. Kirchheim galt in früheren Jahrhunderten als einer der Hauptsitze des Schreinerhandwerks im Lande. In der Teckstadt wurden die kostbarsten Möbel Württembergs hergestellt. Allein 13 Schreiner sind in der kleinen Stadt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tätig. Sie sollen die Leistungsfähigsten gewesen sein und genossen sogar Zollfreiheit.

Die Kirchheimer Schreiner haben damals die neuesten Techniken und Formen verwendet. Fachleute vermuten, dass die hochentwickelte Augsburger Fourniertechnik zuerst in Kirchheim Eingang gefunden hatte. Johannes Majer muss allein schon als Schöpfer und Gestalter seines einzigartigen Kabinetts zu den größten Kunstschreinern seines Jahrhunderts gezählt haben, zumal ihm die ganze Möblierung des südlichen neuen Fürstenbaus in Ludwigsburg übertragen worden war. Für Jacquin de Bethoncourt, Geheimer Rat und Berater des Herzogs, war Majer „unstrittig der geschickteste Handwerckhsmann so man im Lande finden kann. Die vielerley Ihm in Ludwigsburg gestellte Schreinerarbeit beweist solchen zur genüge und das Vornehmste ist annoch, daß er ein Ehrlicher Alter mann, der redlich handelt und thut, was er verspricht.“

Johannes Majer wurde allein aufgrund der Tatsache, dass er die originellsten Innenräume der neu entstehenden Residenz Ludwigsburg gestalten durfte, eine große Ehre zuteil, die nur wenige Kunsthandwerker seiner Zeit für sich in Anspruch nehmen durften. In Kirchheimer Akten wird er auch mit „Herrn“ Johannes Majer, Kabinettschreiner, aufgeführt. Damit erweist der Stadtschreiber dem Meister eine Ehre, die nur wenige Bürger erfahren durften. Der Chronist reiht ihn in die Rangstufe der Ratsherren ein.

Biografie des Fürstlichen Cabinetts-Schreiners

Johannes Majer wurde am 14. Mai 1667 in Kirchheim getauft. Der damaligen Sitte gemäß, erfolgte die Taufe meist am Tag nach der Geburt. Vater war der 1622 geborene „Rebmann“ - also Weingärtner - Caspar Majer. Von der Mutter ist nur der Vorname Apollonia bekannt. Sie überlebte ihren Mann um 17 Jahre und starb im Mai 1709 im Alter von 75 Jahren. Caspar Majer starb mit 70 Jahren 1662 in Kirchheim.

Nach Durlach, der markgräflich baden-durlachischen Residenzstadt, gezogen ist Johannes Majer 1698. Dort war er mit zwei Hofzimmerleuten für die Innengestaltung der neuen Karlsburg beschäftigt. Vier Monate später, am 8. November, wurde Majers Ehe mit der Jungfer Johanna Daubenschmid, der Tochter des Neidlinger Pfarrers Magister Joh. Christoph Daubenschmid, „copuliert“, das heißt, getraut.

Alle seine Kinder sind wohl in Durlach geboren. Vier erwachsene, aber jung verstorbene Kinder sind im Kirchheimer Totenbuch registriert, aber nicht im Taufbuch genannt. Es sind drei Söhne und eine Tochter. Bei dem ältesten Sohn, Christoph Adam, lautet der Eintrag „Jg. Fürstlicher Cabinetts-Schreiner“. Offenbar hätte er die künstlerische Nachfolge des Vaters übernehmen können.

Zurück nach Kirchheim kam Johannes Majer vermutlich 1711. Erst in späteren Jahren, als seine Anwesenheit an seiner Wirkungsstätte in Ludwigsburg unerlässlich war, wird er seine ganze Werkstätte dorthin verlegt haben, vermuten die Historiker.

Über die letzten zehn Lebensjahre, die Majer von 1737 bis 1747 in Kirchheim verbracht hat, ist so gut wie nichts bekannt. Fast genau 80 Jahre alt ist er geworden. Am 27. April wurde der „Fürstliche Cabinetts-Schreiner“, wie es im Kirchheimer Totenbuch steht, „noctu“, das heißt, bei Nacht - die übliche Sitte im Zeitalter des Barocks - auf dem Alt-Kirchheimer Kirchhof zu Grabe getragen. Seine Frau Johanna starb am 27. Januar 1742 im Alter von 71 Jahren ebenfalls in Kirchheim. ih