Kirchheim
Mit der Knarre unterm Kopfkissen

Waffenbesitz Im Kreis Esslingen sind fast 15 000 private Schusswaffen in Umlauf. Das Landratsamt muss dafür sorgen, dass alle registriert und sicher aufbewahrt sind. Von Bernd Köble

Die Pistole schussbereit unter dem Kopfkissen, die geladene Flinte in der Sporttasche – Was die Mitarbeiter der Waffenbehörde im Esslinger Landratsamt bei ihren Kontrollen erleben, zeugt oft von Sorglosigkeit im Umgang mit Schusswaffen, auch wenn diese legal besessen und ordnungsgemäß angemeldet sind. 28 solcher Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht in Tresoren oder verschließbaren Schränken hat das Ordnungsamt im Kreis Esslingen 2019 verzeichnet. Nachdem wegen Corona 2020 überhaupt nicht kontrolliert wurde, sind die Behördenmitarbeiter erst seit Juni dieses Jahres wieder im Einsatz. Das wichtigste dabei: Sie kommen unangemeldet. Wer erwischt wird, muss mit saftigen Geldbußen oder dem Entzug seiner Waffenerlaubnis rechnen. Annika Greschner kennt solche Beispiele aus der Praxis: „Erst vor wenigen Wochen haben wir einen Jäger kontrolliert, bei dem ein geladener Revolver unter einem Kissen versteckt auf dem Sofa lag und der zudem eine illegale Kurzwaffe besaß,“ berichtet die Sprecherin der Kreispolizeibehörde im Landratsamt.

Seit 1. September vorigen Jahres gilt in ganz Deutschland ein schärferes Waffengesetz, das nicht nur Magazine mit größerem Fassungsvermögen verbietet, sondern auch wesentliche Einzelteile wie Lauf, Verschluss oder Gehäuse meldepflichtig macht. Besitzer solcher Waffenteile hatten bis vor wenigen Wochen Zeit, diese nachzumelden oder im Landratsamt abzuliefern, wo sie zerstört und beseitigt werden. Während der einjährigen Übergangsfrist haben inzwischen kreisweit 81 Waffenbesitzer solche Großmagazine nachträglich registrieren lassen. Damit dürfen sie sie behalten.

In der Regel sind es Jäger, Waffensammler oder Sportschützen, die privat im Besitz von Schusswaffen sind und dafür eine Waffenbesitzkarte beantragt haben. Die bekommt in der Regel nur, wer eine Eignungs- und Sachkundeprüfung, eine entsprechende Begründung und ein Mindestalter von 25 Jahren vorweisen kann. Die Ausnahme: Sportschützen können eine solche Besitzkarte, die es in drei verschiedenen Ausführungen gibt und in der sowohl Waffen wie auch Munition exakt dokumentiert sein müssen, in bestimmten Fällen bereits mit 18 Jahren beantragen. Dass ein solcher Nachweis nicht vor kriminellem Missbrauch schützt, zeigt allerdings das Beispiel des Attentäters von Hanau. Der damals 43-Jährige, der im Februar vorigen Jahres in der Innenstadt elf Menschen erschoss, besaß zwei Schusswaffen völlig legal, obwohl er bekanntermaßen unter Verfolgungswahn litt und bereit 2002 in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen wurde.

Nach Zahlen des Nationalen Waffenregisters befinden sich in Deutschland zurzeit rund 5,5 Millionen legale Schusswaffen in Privatbesitz. Im Kreis Esslingen sind 2 151 Besitzer mit insgesamt 14 934 Waffen aktenkundig. Wie viele darüberhinaus unregistriert in Umlauf sind, weiß niemand genau. Mit Vermutungen und Schätzungen hält sich die Polizei zurück, wie Michael Schlüssler, Sprecher im Polizeipräsidium Reutlingen, das auch für den Kreis Esslingen zuständig ist, betont. Belastbare Zahlen gebe es nicht. Nicht jeder illegale Waffenbesitz  stelle zudem eine Gefahr dar, sagt der Polizeisprecher. „Denken Sie nur an das Thema Erbe. Wie viele Bürger finden bei verstorbenen Angehörigen erlaubnispflichtige Waffen und kommen so illegal in deren Besitz?“

Die Mehrheit illegaler Waffenbesitzer dürfte allerdings andere Wege finden. Laut Innenministerium waren Ende vergangenen Jahres in Deutschland 3 588 private Waffen verloren gemeldet. 6914 waren zur selben Zeit im Nationalen Waffenregister als gestohlen registriert. Allein bei der Bundeswehr verschwanden in den letzten Jahren rund 60 000 Schuss Munition.

Sorge bereiten zumindest Teilen der Politik auch die rasant steigenden Zahlen bei der Ausstellung sogenannter „kleiner Waffenscheine.“ Wer einen solchen besitzt, darf Schreckschuss-, Reizgas- oder Signalwaffen bei sich tragen. 2014 waren 1 018 solcher Papiere im Kreis Esslingen in Umlauf, im vergangenen Jahr waren es mit 2 494 bereits mehr als doppelt soviel. Als Grund nennen Polizeiexperten ein schwindendes Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung, obwohl das statistisch nicht belegbar ist. Die Zahl der Straftaten in Baden-Württemberg bewegt sich seit Jahren auf historisch niedrigem Stand.

 

Kreisstädte führen selbst Buch

Große Kreisstädte wie Kirchheim sind selbst für die Registrierung von Waffen und deren Besitzern zuständig. In Kirchheim haben bis zum Stichtag 1. September zehn Personen insgesamt 108 Waffenteile nachgemeldet, die unter das geänderte Waffengesetz fallen und inzwischen verboten sind. Dabei handelt es sich unter anderem um so genannte Hi-Cap-Magazine mit mehr als zehn Schuss für Langwaffen und mehr als 20 Schuss für Kurzwaffen. Besitzer, die solche Magazine vor dem 13. Juni 2017 erworben und fristgerecht angemeldet haben, dürfen weiter damit umgehen. Die Anträge würden in den nächsten Wochen geprüft und der vorgeschriebene Hintergrund-Check gemacht, sagt der Sprecher der Stadt, Robert Berndt. bk