Kirchheim
Mit Raunermelodien erweist Xaver Paul Thoma dem Viertel die Ehre

Ehrung Am Sonntag feiert der Komponist seinen 70. Geburtstag. Die Werke des Jubilars
finden an bedeutenden Konzerthäusern Beachtung. Von Florian Stegmaier

Wien und Zürich, Leipzig und Berlin – es scheint, als sei Xaver Paul Thoma in den musikalischen Zentren bekannter als in Kirchheim. Das ist bedauerlich, bietet doch sein Schaffen eine beachtliche Vielfalt, die auch das regionale Musikleben befruchten könnte. Sein rund 200 Stücke umfassendes Werkverzeichnis beinhaltet Kammermusik, Lieder, sinfonische Musik und Bühnenwerke. Ebenso musikpädagogische Stücke, die sich bereits beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ etabliert haben. Immerhin: in der Reihe des Kirchheimer Kulturrings war eine Uraufführung mit dem Hugo-Kauder-Trio zu erleben und mit seinen Kollegen der Kirchheimer Musikschule brachte Thoma immer wieder eigene Werke zu Gehör.

 

Max Reger auf dem Xylophon gibt es auch nicht alle Tage.
Xaver Paul Thoma

 

Doch meist spielt die Musik woanders. In Kassel zum Beispiel, wo im vergangenen Sommer im Rahmen der Documenta Thomas Opus 199 uraufgeführt wurde. Seine „Begegnungen auf acht Saiten“ standen dort im Mittelpunkt eines prominent besetzten Programms, das den Bogen von Vivaldi bis Halvorsen spannte.

Geboren wurde Xaver Paul Thoma in Haslach im Kinzigtal. Im Alter von fünf Jahren erhielt er den ersten Violinunterricht von seinem Großvater Karl Thoma, seines Zeichens städtischer Musikdirektor in Kirchheim. Der Enkel lebt nun seit über 20 Jahren im großväterlichen Haus in der Teckstadt. Mit den „Raunermelodien“, musikalische Aphorismen, die einem benachbarten Cellisten gewidmet sind, hat Thoma seinem Kirchheimer Viertel kompositorische Ehren erwiesen.

Mit 15 Jahren nahm er das Studium an der Karlsruher Musikhochschule auf. In dieser Zeit entstehen erste Kompositionen. Liedvertonungen etwa, Reflexe literarischer Begegnungen mit Goethe und Hölderlin. Der Dichter des „Hyperion“ wird zum lebenslangen Begleiter. Thomas Violinkonzert „Wie ein zerrissenes Saitenspiel“ trägt eine Zeile Hölderlins im Titel. Sein bislang letztes größeres Werk ist die dritte Kammersinfonie, die 2018 in der Stuttgarter Liederhalle uraufgeführt wurde. Als Auftragswerk der Oper Stuttgart geschrieben, hat Thoma das Werk mit Zitaten der Stuttgarter Orchestergeschichte gespickt. Darin lotet er die instrumentale Vielfalt aus, die nur ein Opernorches­ter zu bieten hat, und arbeitet mit „Umfärbungen“, die aufhorchen lassen: Ein Zitat aus Richard Wagners „Meistersingern“ erklingt auf der afrikanischen Kalimba. „Und Max Reger auf dem Xylophon gibt’s auch nicht alle Tage“, setzt Thoma hinzu.

Neben der kompositorischen Arbeit widmet sich Thoma Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten. Robert Schumanns oft stiefmütterlich behandelte Studien für Pedalflügel erschließen sich in seiner Fassung als romantisches Kunstwerk. Auch Maurice Ravel hat er einen kollegialen Liebesdienst erwiesen. Die Deutsche Oper Düsseldorf gab ihm den Spezialauftrag, Ravels opulent besetzter Oper „L’enfant et les sortilèges“ eine reduzierte Orchestrierung maßzuschneidern, und zwar in denkbar kürzester Zeit. „Das war schon echte Fronarbeit“, erinnert sich der Komponist. Doch die Mühe hat sich gelohnt: In Thomas Fassung erlebte Ravels Oper zahlreiche Aufführungen an gro­ßen Häusern in Berlin, Zürich oder Wien.

Bratschenkonzert soll folgen

Und was steht für die Zukunft an? Nicht nur das Lebensalter, auch das Werkverzeichnis nähert sich einer runden Zahl. „Opus Nummer 200 habe ich für mein zweites Bratschenkonzert reserviert“, verrät Thoma, der als Bratschist der Badischen Staatskapelle, dem Würt­tembergischen Staatsorchester und dem Bayreuther Festspielorchester verbunden war. Dieses Konzert sei derzeit aber noch „im Geiste am wachsen“, wie er schmunzelnd hinzufügt. Auch mit Stoffen für große Bühnenwerke geht er um.

Zurückblicken kann er auf erfolgreiche Inszenierungen seiner Kammeroper nach Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ oder des abendfüllenden Tanztheaters „Kafka“. Nun schwebt ihm eine Oper über das bewegte Leben der Literatin Milena Jesenská vor, die nicht nur Vertraute Kafkas, sondern auch eine engagierte politische Aktivistin war. „Pläne sind noch genug da“, versichert Thoma. Man darf also gespannt sein.