Kirchheim

Mit Sport und Larry zurück ins Leben

Organspende Sarah Kornau hat seit zweieinhalb Jahren eine Spenderleber. Jetzt war sie bei den Deutschen Meisterschaften der Transplantierten dabei. Von Bianca Lütz-Holoch

Den Ball im Blick und immer neue Ziele vor Augen: Sarah Kornau ist in Leipzig trotz Rollstuhl im Tischtennis angetreten. Beim Mi
Den Ball im Blick und immer neue Ziele vor Augen: Sarah Kornau ist in Leipzig trotz Rollstuhl im Tischtennis angetreten. Foto: TransDia-Sport Deutschland

Einen Tag später wäre ich tot gewesen.“ Wenn Sarah Kornau diesen Satz sagt, schüttelt sie noch heute ungläubig den Kopf. Ende 2014 versagt ganz plötzlich die Leber der damals 31-Jährigen. Aus ungeklärten Gründen. Innerhalb einer Woche stirbt das Organ komplett ab, der Körper der jungen Frau vergiftet. Am Ende kann sie nicht mehr atmen. An die Zeit auf der Intensivstation der Uniklinik Tübingen erinnert sich Sarah Kornau nur bruchstückhaft. Sie fällt ins Koma, hat Halluzinationen. „Ich wusste, dass ich nicht mehr leben kann - aber ich wollte“, sagt die Weilheimerin. Sie kämpft, hält durch - und hat Glück. Quasi in letzter Sekunde bekommt sie eine Spenderleber. Eine Leber, die sie „Larry“ tauft und mit der sie fortan Höhen und Tiefen durchlebt.

Zweieinhalb Jahre später sitzt Sarah Kornau in einem Kirchheimer Café und erzählt von den Offenen Deutschen Meisterschaften der Transplantierten und Dialysepatienten in Leipzig. An dem Wettbewerb hat sie schon 2016 teilgenommen. Dieses Jahr ist sie wieder angetreten, in fünf Disziplinen und unter erschwerten Bedingungen. Denn Sarah Kornau sitzt vorübergehend im Rollstuhl. Die Immunsuppressiva, die sie einnehmen muss, damit ihr Körper das Spenderorgan nicht abstößt, haben ihre Knochen porös gemacht. Im November 2016 brach der erste Fuß beim Sport. Der zweite folgte, weil sie ihn beim Schonen des kaputten Beins überbelastete. Inzwischen scheint Besserung in Sicht. „Ich kann kurz stehen und auch ein oder zwei Schritte gehen, habe aber immer noch höllische Schmerzen dabei.“ Aufgeben kommt nicht in Frage. „Das wird schon“, sagt Sarah Kornau. „Nächstes Jahr bin ich wieder ohne Rollstuhl dabei.“

Über die Medaillen, die sie beim Mini-Marathon, im Ballweitwurf, beim Tischtennis und auf der 100-Meter-Strecke gewonnen hat, freut sich die Weilheimerin. Es ist aber nicht die Leistung, die für sie und die 150 anderen Teilnehmer zählt. „Viel wichtiger ist die Atmosphäre“, sagt Sarah Kornau. „Jeder von uns hat schon gewonnen, bevor er antritt - denn er lebt.“ Genau diese Erkenntnis verbindet all die Sportler mit Spenderorganen: Das Wissen darum, zu leben, weil ein anderer sein Organ gegeben hat, die Dankbarkeit dafür und das Verständnis der anderen: „Dieses Gefühl trägt mich - auch in Phasen, in denen es mir nicht so gut geht“, sagt Sarah Kornau.

Der Sport ist es auch, der die junge Frau nach der Transplantation zurück ins Leben holt. „Kurz nach dem Eingriff hat mich der Professor bei der Visite in meiner VfL-Jacke dasitzen sehen“, erinnert sich die 34-Jährige, die vor ihrer Erkrankung in der Tischtennis-Landesliga gespielt hat. „Er sagte: In zwei Wochen spielen wir zusammen Tischtennis.“ Aus dem Date wird zwar nichts. Doch wenig später schleppt sich Sarah Kornau mit einem Bekannten zur Platte. „Nach vier Ballwechseln war ich kaputt - aber ich hatte gespielt“, sagt sie und strahlt.

Immer wieder sind es die sportlichen Ereignisse, die Sarah Kornau antreiben. Zum Beispiel, wenn Larry, die Leber, mal wieder streikt: „Er ist nicht ganz in Ordnung“, erläutert sie und fügt augenzwinkernd hinzu: „Aber er passt zu mir und wir sind ein gutes Team.“ Zweimal stößt ihr Körper das Organ ab, aber die Ärzte können die Leber retten.

Einmal muss Sarah Kornau noch an den Gallengängen operiert werden. Am Tag nach ihrer Entlassung steigt sie aufs E-­Bike, um an der Neckar-Bodensee-Tour der Transplantierten teilzunehmen, die von Tübingen nach Konstanz führt - alles mit der ausdrücklichen Erlaubnis ihrer Ärzte. „Wenn es je medizinische Einwände gäbe, würde ich das nicht tun.“ Bis Überlingen kommt sie, dann hört sie auf, weil es schüttet und sie eine Erkältung vermeiden will. „Aber bis an den Bodensee habe ich es geschafft“,freut sich die 34-Jährige.

Ein anderes Mal fährt Sarah Kornau 650 Kilometer bei einer Radtour mit, die zu kleineren Kliniken führt und die Ärzte über Organspende aufklären soll. Diese Informationsarbeit ist ihr ein großes Anliegen. Sie ermuntert alle, über ihre Haltung zur Organspende nachzudenken, sie zu formulieren und vor allem mit der Familie darüber zu sprechen. „Die Organe eines Menschen können bis zu sieben Leben retten“, sagt sie: „Ich finde auch die Vorstellung tröstlich, dass ein Teil von mir in einem anderen weiterleben könnte.“

Träume hat Sarah Kornau noch viele. Zum Greifen nah sind die Weltspiele der Transplantierten Ende Juni in Malaga. „Der Flug ist gebucht.“ Gerne würde sie auch wieder in ihren Beruf als Sonderpädagogin zurückkehren. Zwar hatte sie nach der Transplantation schon wieder begonnen zu unterrichten. Dann jedoch kamen die Knochenbrüche: „Aber ich bin zuversichtlich, dass ich bald wieder mit den Kindern arbeiten kann. Das ist mein Traumberuf.“ Und noch etwas wünscht sich Sarah Kornau - so wie andere auch: ein langes Leben. „Wer sagt denn, dass ich nicht 97 Jahre alt werde?“ fragt sie und lacht.

 

An einem Film über die Meisterschaft in Leipzig arbeitet die Autorin Maria Haase. Sarah Kornau kommt darin vor. Den Trailer dazu gibt es auf www.teckbote.de.

Sarah Kornau hat beim Mini-Marathon Gold geholt.
Beim Mini-Marathon hat Sarah Kornau in ihrer Altersklasse Gold geholt. Foto: TransDia-Sport Deutschland

Infos rund ums Thema Organspende

Tag der Organspende Seit 35 Jahren machen Patientenverbände und weitere Institutionen immer am ersten Samstag im Juni bundesweit auf das Thema Organspende aufmerksam. Dieses Jahr findet die zentrale Veranstaltung am 3. Juni in Erfurt statt.

Transplantationen Über 10 000 Patienten warten in Deutschland derzeit auf eine Organtransplantation. Sie ist für viele von ihnen die einzige Chance zu überleben. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland gut 3 000 Organe transplantiert.

Entscheidungslösung Seit November 2012 gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung. Das heißt, jeder soll selbst die Entscheidung treffen, ob er Organe spenden möchte oder nicht. Sie wird in einem Organspendeausweis dokumentiert, soll aber auch Angehörigen mitgeteilt werden.

Schlummernde Helfer Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im vergangenen Jahr stehen 81 Prozent der Deutschen dem Thema Organspenden positiv gegenüber. Allerdings besaßen nur 32 Prozent der Befragten einen Ausweis. Weitere Infos gibt es auf der Seite der BZgA: www.organspende-info.de.

Organspendeausweis Die Krankenkassen schicken ihren Versicherten regelmäßig Vorlagen zu. Ausweise gibt es aber auch in allen Apotheken sowie online auf der Homepage www.organspendeausweis.org. Dort kann der Pass digital ausgefüllt und ausgedruckt oder bestellt werden.bil