Kirchheim
Moderna statt Biontech: Ärzten platzt der Kragen

Corona Die Ärzteschaft wirft dem Bundesgesundheitsminister vor, den Impffortschritt zu verlangsamen. Grund: Die Rationierung des Biontech-Impfstoffs.

Nach der Ankündigung des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, den Biontech-Impfstoff zu rationieren, damit Moderna-Dosen nicht verfallen, platzt Vertretern der Kreisärzteschaft Nürtingen der Kragen. Die Meldung habe ihn schockiert, schreibt Dr. Jochen Maier, Hausarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Nürtingen in einem Offenen Brief an Spahn und die Verantwortlichen im Bundesgesundheitsministerium. „Das wird die die von uns mit Nachdruck befeuerte Impfkampagne in gravierender Weise verlangsamen.“ 

Der Mediziner wirft Spahn völlige Unwissenheit darüber vor, wie der Alltag in Hausarztpraxen aktuell aussieht. „Alle Abläufe, das heißt Aufklärungsböden, Abrechnungsziffern, Chargennummern und eben die Zeiteinteilung der Bestellungen der Patienten, wurden in unserer Praxis zuletzt nur auf die Verabreichung von Biontech optimiert, um schnellstmöglich zu agieren“, sagt Jochen Maier. Die Patienten seien alle informiert worden, dass Comirnaty von Biontech zur Auffrischung verwendet werden werde. Diese Änderung ohne Vorwarnung komme zur Unzeit. „Die Umstellung der Termine auf geeignete Mengen, angepasst an neue Vialgrößen, wird nur mit dem Verwerfen von Restmengen gelingen, was bisher bei uns nach über 2500 Impfungen meines Wissens nur einmal vorkam“, kritisiert Maier. Dazu kommen die Information der Patienten und die gesamte Neuorganisation. „Woher nehmen wir die Zeit, während wir zunehmend an Corona Erkrankte abstreichen und behandeln?“ Die Anwendung des Moderna-Impfstoffs bei Schwangeren und unter 30-jährigen sei nicht von der STIKO empfohlen. „Wir müssen also zweigleisig fahren!“

Der Hausarzt sieht sich und seine Kolleginnen und Kollegen in ihrem Bemühen, die Impfkampagne voranzubringen, ausgebremst. „Wir haben in der vergangenen Woche 114 Covid-19 Impfungen durchgeführt. Am Aktionstag am 27. November werden es über 300 Impfungen sein, und bis Jahresende haben wir weiter circa 180 pro Woche eingeplant“, so Maier. Termine seien bis in den Februar hinein vergeben. Zusätzliche Terminfenster sauge man sich aus den Fingern, um keine Patienten zu gefährden. Man frage sich fast, ob diese Änderung die Niedergelassenen vom Impfen abhalten solle, „damit überteure Impfzentren erneut zum Zuge kommen“, mutmaßt Maier.

Der Mediziner hofft, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Er fordert den Bundesgesundheitsminister auf, „diesen Missstand schnellstmöglich zu korrigieren“. Sonst müsse Spahn sich dafür verantwortlich fühlen, wenn der Impffortschritt verlangsamt werde, „mit allen Folgen!“ Antje Dörr