Kirchheim

Moderne Kunst erleuchtet alte Steine

Event Klang-Licht-Spiele rücken Kirchheims historische Gemäuer in ein neues Licht. Der Kirchheimer Kultursommer begeistert die Zuschauer mit einem ungewöhnlichen Spektakel auf dem Rollschuhplatz. Von Anja Schulenburg

Gitarrist Thomas Maos spielt auf seiner knallroten Gitarre vor psychedelisch anmutenden Lichtgebilden. Die Reste der Stadtmauer
Gitarrist Thomas Maos spielt auf seiner knallroten Gitarre vor psychedelisch anmutenden Lichtgebilden. Die Reste der Stadtmauer werden dazu bunt erleuchtet.Fotos: Markus Brändli

Gefühlt ist es schon lange her, dass Musik auf dem Rollschuhplatz erklungen und sich dann über Kirchheim ausgebreitet hat. Am Samstagabend ist es endlich mal wieder so weit: Im Rahmen des Kirchheimer Kultursommers hat der Kunstbeirat zu den Klang-Licht-Spielen eingeladen. Kulinarisch und kulturell verwöhnt werden die Besucher mit Deftigem und Getränken sowie einer musikalischen Mischung aus sozialkritischen Eigenkompositionen von The Fool oder Wir sind bunt, schottisch-irischem Hardfolk und einer guten Portion Humor von Musik-Urgestein Moria.

Sogar der kurze Umbau der Bühne wird zu einem absoluten Hingucker, als die 100 Meter lange Stadtmauer Teil einer Gitternetz-Projektion aus weißen Lichtstreifen wird, die das grafische Profil des alten Gemäuers völlig verändern. Man spürt die Faszination der Besucher, gepaart mit der Vorfreude auf das Kommende.

Dann betreten die Hauptakteure des Abends die Naturbühne: Lichtkünstler Kurt Laurenz Theinert beginnt mit einer Erklärung seines Visual-Pianos: „Alles, was Sie sehen werden, ist live. Mithilfe dieses Instruments kann ich lichttechnisch in Echtzeit jegliche Stimmung umsetzen, die Gitarrist Thomas Maos in mir auslöst.“

Das Licht geht aus, gefolgt von einem Raunen durch die Menge. Thomas Maos stimmt sich mit meditativen Klängen auf seiner knallroten E-Gitarre ein. Wie in Trance wiegt er sich im schwachen Scheinwerferlicht. Kurt Laurenz Theinert, mit dem Rücken zum Publikum, bespielt die Reste der historischen Stadtmauer mit buntem Licht, psychedelisch anmutend und verwirrend zugleich. Das wiederum spiegelt sich in finsteren Klängen wider, die von Lichtblitzen durchströmt werden. Die folgende Interaktion der beiden Ausnahmekünstler sucht ihresgleichen: Durch ein virtuoses Zusammenspiel von Gitarre und Licht-Piano, unterstützt von Loopern und selbstgebauten Verstärkern, wird der Zuschauer auf eine vom Licht inspirierte Klang-Reise entführt, die jegliche Stimmung in sich trägt: Auf beklemmende Endzeitklänge folgen schwarz-weiße Licht-Spinnfäden, die von melodiösen, azurblau untermalten Gitarrenriffs abgelöst werden. Das Publikum klatscht begeistert zu rhythmischen Club-Beats. Dazu tanzende Kreise werden von schimmernden Geraden durchbrochen, Lichtnetze breiten sich aus und zerfließen in barcodeähnlichen Gebilden. Die Illuminationen erscheinen wie imaginäre Pinselstriche auf der knapp 500 Jahre alten Kirchheimer Stadtmauer, die an diesem Abend zu einem zeitgenössischen Kunstwerk aus Farben, Licht und Klang wird.

Nach 40 Minuten beenden die Künstler ihr Werk und bedanken sich beim Publikum, bei Achim Bosch am Mischpult sowie allen Organisatoren für deren Mut, in Corona-Zeiten derartige Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.