Kirchheim

Musik macht Kinder stark

Musik „Start a Band“ heißt ein Projekt von Alleenschule und Musikschule. Kinder, die sonst keine Chance auf Musikunterricht hätten, lernen zwei Jahre lang ein Instrument. Schlusspunkt ist ein großes Konzert. Von Antje Dörr

Großer Auftritt: Abschlusskonzert in der Aula der Alleenschule Kirchheim. Foto: Carsten Riedl
Großer Auftritt: Abschlusskonzert in der Aula der Alleenschule Kirchheim. Foto: Carsten Riedl

Beim letzten Song hat Abdul Rahman Alali seinen großen Auftritt. „Let it be“ heißt der Ohrwurm, den vermutlich jeder Mensch kennt, und das Gitarrensolo, das darin vorkommt, darf heute morgen dieser Junge aus Syrien spielen, der sich das vor ein paar Jahren vermutlich auch nicht hätte träumen lassen. Seine Mitschüler, die in der Aula der Alleenschule sitzen und zuhören, bejubeln ihn und spenden Applaus. Abdul sieht aus, als wolle er gleich platzen vor Stolz.

Dazu hat er allen Grund. Abdul und die anderen spielen ihre Instrumente gerade einmal seit zwei Jahren. So lange hat der zweite Durchgang des Kooperationsprojekts der Musikschule und der Alleenschule „Start a Band“ gedauert, das an diesem Morgen mit dem Konzert seinen Abschluss findet. Die Idee: Schüler der Klassen fünf, sechs und der Vorbereitungsklassen für ausländische Schüler lernen bei professionellen Musikschullehrern ein Instrument oder Gesang. Fördermittel und Spenden des Lions Club sorgen dafür, dass keine Kosten für die Schüler oder deren Eltern entstehen. Projekte dieser Art gibt es an der Alleenschule mittlerweile seit zehn Jahren.

Projekt ist bei Kindern beliebt

Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in der Werkrealschule der Alleenschule liegt bei über 80 Prozent. Ähnlich hoch sei der Anteil an Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten, sagt Uwe Häfele, Leiter der Alleenschule. Musikunterricht sei für sie keine Selbstverständlichkeit. Dabei sei der pädagogische Nutzen enorm. Das gemeinsame Musizieren in Ensembles fördere unter anderem das Sozialverhalten, die Teamfähigkeit und das Selbstwertgefühl.

Das Projekt sei bei den Schülern sehr beliebt, sagt Raphael Lindeke, der an der Alleenschule Musiklehrer ist und das Projekt federführend betreut. Die Kinder seien stolz, dabei zu sein, und liefen gern mit ihren Instrumenten durchs Schulgebäude. Allerdings gibt es auch Schwierigkeiten. Den Musikschullehrern werde einiges abverlangt, so Lindeke: „Sie müssen viel reinstecken, damit die Kinder kleine Fortschritte machen.“ Die Kinder zu motivieren und bei der Stange zu halten, sei nicht immer einfach. Zu Anfang sei die Begeisterung meist noch recht groß, doch nach und nach werde die Zahl der Beteiligten etwas kleiner. Eine Regel gibt es aber: „Wer sich anmeldet, muss mindestens bis zum Halbjahr dabeibleiben.“ Und Durchhalten lohnt sich: Die motiviertesten Musiker nimmt Raphael Lindeke am Ende des Projekts mit in seine Schulband.

„Das gemeinsame Musizieren erzeugt bei den Schülern ganz viel positive Energie“, sagt Sigrid Reusch, die eine Vorbereitungsklasse für ausländische Schüler und Flüchtlinge unterrichtet. Dabei zu sein und trotz mangelnder Deutschkenntnisse über die Musik kommunizieren zu können, bedeute ihren Schülern sehr viel. Auch Kinder, die im Unterricht häufig negativ auffielen, profitierten laut Sigrid Reusch von dem Projekt. „Mir fallen immer fast die Augen aus dem Kopf, wenn ich sehe, wie die dasitzen und sich problemlos einfügen“, sagt sie.

Hans-Peter Weyhmüller, der Leiter der Musikschule Kirchheim, ist glücklich darüber, dass die Kooperation so gut funktioniert. Er macht sich keine Illusionen: Die Musikschullehrer müssen an die Alleenschule kommen, denn andersherum funktioniert es nicht. Die Schwelle für die Kinder sei schlicht zu hoch.

Um die Personalkosten in Höhe von über 8 000 Euro zu stemmen, hat das Projekt Bundesfördermittel aus dem Topf „Kultur macht stark“ erhalten. Dort bewerben sich Alleenschule und Musikschule nun mit einem neuen Projekt: „Inclugration“ soll es heißen. Inklusion ist deshalb in dem Wort enthalten, weil geistig behinderte Schüler der Bodelschwingh-Schule Nürtingen, die eine Außenklasse an der Alleenschule Kirchheim besuchen, dabei sein werden. Der Lions Club hat schon eine erneute Spende versprochen. „Dass das Geld so hervorragend genutzt wird, darüber sind wir froh“, sagte Hermann Kölle vom Lions Club.