Kirchheim

Nachhaltig, günstig und offen für alle

Soziales Der Kirchheimer Diakonie-Laden verkauft gespendete Waren, ist aber nicht nur für Bedürftige gedacht. Darauf legt die Leiterin Wert. Von Thomas Zapp

Die dreifache Mutter Martina Götz gehört sowohl zu den Stammkundinnen als auch zu den Spenderinnen - wohlgemerkt aus Überzeugung
Die dreifache Mutter Martina Götz gehört sowohl zu den Stammkundinnen als auch zu den Spenderinnen - wohlgemerkt aus Überzeugung, nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Foto: Carsten Riedl
Annette Weißenstein (oben links) leitet den Eckpunkt seit 2017.
Annette Weißenstein (links) leitet den Eckpunkt seit 2017. Foto: Carsten Riedl

Im ersten Stock des Geschäfts in der Kirchheimer Hindenburgstraße ist es angenehm hell und aufgeräumt. Hausrat, Möbel oder auch alte Tonträger sind hier ausgestellt, die Preise sind überschaubar, reichen vom Schreibtisch für 20 Euro bis zur Vitrine für 110 Euro. Im Erdgeschoss gibt es Bekleidung, mehr als 10 Euro kostet hier kaum ein Kleidungsstück. „Die grüne Lederjacke ist hoffentlich noch da“, sagt Martina Götz. Die dreifache Mutter ist an diesem Tag wieder einmal zum Stöbern im Diakonieladen am Café „Eckpunkt“in Kirchheim. Gleichzeitig gehört sie aber auch zu den „Lieferanten“, spendet regelmäßig die Kleidung ihrer Kinder. „Ich hab keine Lust auf Baby-Mutter-Basare, hier gebe ich einfach die Sachen ab und tue was Gutes“, sagt sie.

„Im Unterschied zu Tafelläden steht unser Laden allen Kunden offen, Und seit Januar dürfen wir dafür auch werben“, erklärt Annette Weißenstein, Leiterin des Diakonieladnes. Denn seither wird auch dort die Mehrwertsteuer auf die Waren ausgezeichnet und der Laden erfährt keine Sonderbehandlung mehr. Das bedeutet auch: Kunden benötigen dort keinen Bedürftigkeitsnachweis. Die Leiterin legt auch großen Wert darauf, dass nicht nur Menschen in finanziellen oder sozialen Notlagen das Angebot wahrnehmen. Vielen wie Martina Götz geht es um die Nachhaltigkeitsidee und darum, alte Dinge wieder in den Kreislauf zu bringen. Recycling ist modern und ein Zeichen für Umweltbewusstsein.

Annette Weißenstein, die den Laden seit 2017 leitet, freut sich über Menschen wie Martina Götz: „Wenn alle bei uns einkaufen, ist das aktive Teilhabe. Wir holen die Armut aus der Scham-Ecke heraus“, sagt sie. Jeder soll „würdig“ und schön einkaufen können. Deshalb ist es ihr wichtig, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Manche kämen jeden Tag in das Geschäft, manchmal auch nur auf einen kleinen Plausch.

Um im Sortiment zu landen, muss auch Ausrangiertes bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Sperrmüll will man hier nicht verkaufen. Manchmal muss Annette Weißenstein auch Spendern gut erhaltener Möbel eine Absage geben: Etwa wenn es sich um Dinge handelt, die niemand kauft, weil sie zu groß, zu schwer und zudem völlig aus der Mode sind. „Bedürftige Menschen haben kleine Wohnungen. Eiche rustikal ist dafür zu groß“, sagt sie. Manchmal holen die Mitarbeiter des Diakonieladens auch Gegenstände direkt ab. „Wir machen aber keine Haushaltsauflösungen“, betont Annette Weißenstein. Dafür reichen die Kapazitäten nicht.

Der Laden ist für sie aber noch mehr als eine Einkaufsmöglichkeit für Menschen mit knappem Budget oder einem hohen Umweltbewusstsein. Er hat für sie auch eine wichtige soziale Aufgabe. „Wir arbeiten hier mit zwölf Langzeitarbeitslosen, führen sie wieder an den Arbeitsmarkt heran, geben ihnen eine Tagesstruktur und Selbstbewusstsein.“ Dafür sind vier fest Angestellte und zwei Bundesfreiwilligendienstler zuständig. „Ein Bufdi hat uns aber gerade verlassen, deswegen suchen wir dringend jemanden“, hofft Annette Weißenstein auf interessierte Helfer.

Auch Ehrenamtliche werden noch gesucht. Die müssten allerdings gewisse Voraussetzungen mitbringen, denn die Tätigkeit ist anspruchsvoll. Gerade die Langzeitarbeitslosen müssen gut betreut werden und auch bei den Kunden ist oftmals Sensibilität gefragt. Die Arbeit und die Mühen zahlen sich aus: Pro Jahr werden im Diakonieladen Kleidung und Gegenstände für 120 000 Euro an den Mann oder die Frau gebracht, meistens bei Preisen zwischen 50  Cent und 10 Euro.

Second Hand liegt im Trend

Martina Götz ist von dem Konzept überzeugt und sieht es als Vorbild für künftige Generationen. „Ich nehme so oft es geht, eins meiner Kinder mit“, sagt sie. Die hätten anfangs Berührungsängste ­gehabt, sich dann aber auch Kleidung herausgesucht. Mittlerweile sei es ganz normal, Gebrauchtes anzuziehen. Die Mama schaut dann gerne mal nach Schmuck oder seltenen Gläsern, die es im Handel nicht mehr gibt. „Ich bin ein Vintage-Fan“, sagt sie. Dann muss sie los, um nochmal nach der grünen Lederjacke zu schauen, falls sie während des Gesprächs noch niemand weggekauft hat.

Wer Interesse hat, im Diakonieladen ehrenamtlich oder als „Bufdi“ mitzuhelfen, kann unter der Nummer 0 70 21/73 65 71 Kontakt aufnehmen oder per Mail an di.ki@kdv-es.de

Abriss der Entstehungsgeschichte

Gegründet wurde der Diakonieladen im Frühjahr 1999. Er bezog sein Domizil in der alten Scheune, auf demselben Grundstück wie heute. Damals hieß er „Allee 74“ und war sowohl Annahme- als auch Verkaufsstelle von Bekleidung und Möbeln für Bedürftige.

Umziehen musste der Laden 2001 in das Riethmüller-Gebäude, weil die alte Scheue abgerissen wurde, um einem Neubau Platz zu machen. Finanziert wurde der Neubau mit Unterstützung der Lotterie „Glücksspirale“ und der Stadt Kirchheim.

Im Jahr 2004 konnte das neue Gebäude in der Hindenburgstraße schließlich bezogen werden. Auch der Diakonieladen zog dort ein, als bewusste Entscheidung. Denn die Bedürftigen sollten in den Genuss gesellschaftlicher Teilhabe kommen.

Im Landkreis gibt es Diakonieläden in Kirchheim, Esslingen, Nürtingen und Wendlingen. Dort kann man ohne Bedürftigkeitsnachweis einkaufen. In Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern-Nellingen gibt es Diakonie-und Tafelläden. zap