Kirchheim

„Neuwahlen wären ein Bruch mit der politischen Kultur“

Pressegespräch Der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid erklärt, warum die SPD Verantwortung übernehmen muss.

Nils Schmid. Foto: Carsten Riedl

Unterensingen. Nils Schmid ist in Berlin „angekommen“. Das ist die Botschaft seines ersten Neujahrspressegesprächs als Bundestagsabgeordneter. Ganz angekommen ist er freilich noch nicht, da geht es ihm ähnlich wie der Regierungsbildung: Er hofft, dass beides noch im ersten Quartal 2018 zum Abschluss kommt - sein persönlicher Wechsel nach Berlin und die Koalitionsvereinbarungen zwischen der SPD- und der Unionsfraktion.

Einen richtigen Sitzungsrhythmus habe der Bundestag seit der Wahl im September noch nicht gefunden. Damit rechnet der neue Nürtinger SPD-Abgeordnete erst für Ende Januar, „aber auch dann noch mit ausgedünnter Tagesordnung“. Das Problem ist nach wie vor die fehlende Koalition: „Eine geschäftsführende Regierung kann keine politischen Akzente setzen und keine Gesetzesvorlagen einbringen.“ Die wichtigste Aufgabe im zweiten Quartal - wenn die Regierung hoffentlich steht - sei der Bundeshaushalt für 2018. Aktuell schreibe man die bisherigen Pläne einfach nur fort.

Jamaika-Scheitern kam überraschend

Dass sich die SPD am Wahlabend zunächst in die Opposition verabschieden wollte, hält der Nachfolger von Rainer Arnold für richtig. „Für uns kam es dann schon überraschend, dass Jamaika nicht zusammengefunden hat.“ Die Schwierigkeiten beim Zusammenraufen von Union, FDP und Grünen habe die SPD eigentlich nur für „das übliche Spektakel“ gehalten. Jetzt aber sieht Nils Schmid die SPD in der Verantwortung.

Neuwahlen sind für ihn keine ernsthafte Option: „Das wäre ein Bruch mit der politischen Kultur in der Bundesrepublik. Wir haben es immer geschafft, aus einem starken Parlament heraus starke Regierungen zu bilden. Das ist eine Errungenschaft, die wir nicht aufgeben sollten.“ Deswegen müsse die SPD jetzt schauen, welche Absprachen sie mit der Union für die nächsten vier Jahre treffen kann und was sich aus ihrem Wahlprogramm tatsächlich auch gemeinsam umsetzen lässt.

Große Themen: Gesundheit, Steuer, Rente

An großen Themen außer den Finanzen zählt Nils Schmid „Gesundheit, Steuer, Rente“ auf, aber auch „Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung“. Bei den letzten drei Punkten sieht er den Bund in der Pflicht, Länder und Kommunen finanziell zu unterstützen. Im Wahlkreis Nürtingen gebe es wichtige Verkehrsprojekte wie den Ausbau der B 27 bis zur Aichtalbrücke, aber auch die Verbesserung der Schienenwege. Die Breitbandversorgung wiederum spiele für kleinere Kommunen eine ähnliche Rolle wie im 19. Jahrhundert der Anschluss an die Eisenbahn.

Außen- und europapolitisch brauche es eine gemeinsam abgestimmte Flüchtlingspolitik: „Dazu gehört es, die Außengrenzen zu sichern sowie den Zustrom von Migranten zu kontrollieren und zu steuern.“ Außerdem müsse Europa die Steuern harmonisieren und ein eigenes Finanzministerium einrichten. Die Außenpolitik würde Nils Schmid auch persönlich reizen: „Der auswärtige Ausschuss wäre ein Thema für mich.“

Wie geht's weiter?

Seine politische Vergangenheit als Landesminister bringt ihm auf dem bundespolitischen Parkett erst einmal nichts ein, außer einem Erfahrungsvorsprung vor anderen. Deswegen zieht es ihn jetzt auch stärker in die Außenpolitik als in seine bisherigen Disziplinen Wirtschaft und Finanzen. Wie es mit der großen Karriere weitergeht, wird sich dann zeigen: „Ich bin jetzt 44 und habe noch alle Zeit der Welt.“

Nicht ganz so lange wird er brauchen, um ein richtiges Büro im Bundestag zu bekommen. Bis jetzt ist er dort nur provisorisch untergebracht. „Aber eine Festnetznummer und eine E-Mail-Adresse habe ich schnell erhalten. Das ist das Wichtigste, damit lässt sich arbeiten.“ Auch eine Wohnung in Berlin ist bereits gefunden. Im März kann er sie beziehen.

Bis dahin sollte dann auch die neue Regierung gebildet sein - mit der SPD. Nils Schmid hat keine Angst davor, dass seine Partei als Juniorpartner gegen die Wand gedrückt werden könnte: „Wenn die SPD Angst vor der Regierung hat, kann sie gleich einpacken. Außerdem ist Frau Merkel nicht mehr dieselbe wie noch vor vier oder vor acht Jahren.“ Andreas Volz