Kirchheim

„Nicht mit 1,5 Tonnen Brötchen holen“

Politik Bei der Podiumsveranstaltung „Neue Wege – Mobilität von morgen“ sorgte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann für lebhafte Diskussionen. Von Thomas Zapp

Winfried Hermann richtet sich an die rund 80 Zuhörer, Andreas Schwarz (rechts) und Stefan Reindl schauen zu.  Foto: Jean-Luc Jac
Winfried Hermann richtet sich an die rund 80 Zuhörer, Andreas Schwarz (rechts) und Stefan Reindl schauen zu. Foto: Jean-Luc Jacques

Die Mobilität von morgen soll klimaneutral sein, sie soll für eine bessere Infrastruktur und für gewinnbringende Innovationen in der heimischen Autoindustrie stehen. Wie diese ambitionierten Ziele zu erreichen sind, war Gegenstand einer Podiumsdiskussion im Alten Gemeindehaus in Kirchheim. „Neue Wege“ wollte der grüne Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz an diesem Abend aufzeigen, denn im Verkehrssektor sei für die Pariser Klimaziele noch „nichts erreicht worden“. Dazu hatte er Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann eingeladen. Flankiert wurden die beiden von Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft und der Kirchheimer Unternehmerin und Gemeinderätin Bettina Schmauder.

Der Ausbau der Lade-Infrastruktur für Elektroautos in Kirchheim, Tempo 30 in allen Wohngebieten, mehr durchgehende Fahrradwege nach Dettingen oder Lenningen: Darin waren sich zumindest die ortskundigen Diskutanten einig. Auch dass sich die Automobilindustrie wandeln muss, gehörte zum Konsens. Nur das „wie“ sorgte auf dem Podium vor 80 Gästen für eine kontroverse Diskussion. Für Winfried Hermann bedeutete die „Energiewende im Verkehr“, dass man in den kommenden 30 Jahren 80 bis 95 Prozent der Emissionen einspart. Um das zu erreichen, müsse man sich bei Autos auf den akkubasierten Elektroantrieb konzentrieren. „Die Konzerne haben erkannt, dass sie nicht alle Ziele gleichermaßen verfolgen können.“ Beim Pkw sei Daimler nicht ohne Grund aus der Brennstoffzelle ausgestiegen. Generell würden E-Autos stärker kommen, denn durch die EU-weite Festlegung der „Flottengrenzwerte“ gebe es eine Motivation für Autokonzerne, mehr Elektroautos anzubieten, sagt er.

Bettina Schmauder, kaufmännische Leiterin des Autohauses Schmauder und Rau, ist anderer Meinung. „Ich halte es für einen Fehler, sich nur auf die Batterie zu konzentrieren, denn bislang bietet sie keine wirtschaftlich tragfähige Alternative zum Diesel.“ Man müsse auch Wasserstoff weiterentwickeln und die Effizienz synthetischer Kraftstoffe verbessern sowie deren Zulassung beschleunigen. Auch Andreas Schwarz schien irritiert angesichts der Fokussierung auf die Batterie: „Ich bin immer davon ausgegangen, dass ein Mix der Antriebsarten je nach Bedarf am besten ist.“ Wissenschaftler Stefan Reindl ist eher beim Verkehrsminister: „Die Batterie ist im Wirkungsgrad ein Drittel besser als die Brennstoffzelle und noch einmal ein Drittel besser als der Diesel. Sie muss lediglich leichter werden. Die Technologie-Offenheit beim Pkw ist daher fraglich“, sagte er. Man müsse systemischer denken und die Mobilität als Kombination verschiedener Möglichkeiten begreifen. Die Vernetzung sei wichtig und die Politik müsse Zeitkorridore für bestimmte Ziele vorgeben.

Winfried Hermann erinnerte dann daran, dass Verkehrswende nicht nur bedeutet, die Motoren auszutauschen, sondern Gewohnheiten zu ändern und intelligente Lösungen zu finden. „Mit 1,5 Tonnen zum Brötchenholen zu fahren, ist nicht intelligent“, sagte er. Andreas Schwarz pflichtete ihm bei: „E-Mobilität ist auch die S1.“ Allerdings ist der Ausbau der Schiene vor allem teuer und dauert „saumäßig lang“. Der Minister plädiert kurzfristig gerade im ländlichen Bereich für einen Ausbau der Expressbusse.

Auf alle Ideen passte dann auch das Fazit nach zwei Stunden lebhafter Podiums- und Publikumsdiskussion. Es blieb dem Initiator der Veranstaltung, Andreas Schwarz, vorbehalten: „Veränderung gibt es nicht zum Nulltarif.“