Kirchheim

Nicht nur künstlerisch ein Gewinn

„(S)election“ – Die Städtische Galerie zeigt Neuerwerbungen der Jahre 2005 bis 2015 im Kornhaus

Ein Querschnitt von Neuerwerbungen der Städtischen Galerie ist im Kirchheimer Kornhaus zu sehen. Foto: Christian Schlienz
Ein Querschnitt von Neuerwerbungen der Städtischen Galerie ist im Kirchheimer Kornhaus zu sehen. Foto: Christian Schlienz

Kirchheim. Immer wieder versucht die Person, eine rote Mauer zu überwinden. Aus der Sicht des Kletterers zeigt die Kamera die Ziegelsteine, dann die Hände des Kletterers, die sich an der oberen Kante festklammern, und man hört dabei sein heftiges Atmen. Sobald der Akteur auf der anderen Seite gelandet ist, beginnt die Handlung von Neuem. Der Videoloop zeigt die identische Handlung in unendlicher Wiederholung.

Diesen Videoclip des Berliner Künstlers Konrad Mühe könnte man auch als Symbol für die kräftezehrende Arbeit lesen, mit der Kulturarbeiter versuchen, die zeitgenössische Kunst in die Öffentlichkeit zu bringen, immer in der wohlmeinenden Absicht, beiden Seiten zu dienen. In Kirchheim sind das die Mitglieder des Kunstbeirats der Stadt, die ehrenamtlich seit nunmehr fast 40 Jahren in wechselnder Besetzung dieser Aufgabe nachgehen. Dass dabei nicht nur die viel besprochenen Ausstellungen in der Galerie im Kornhaus entstehen, sondern über Jahre auch eine kleine, aber sehr interessante Sammlung exemplarischer Werke der eingeladenen Künstlerinnen und Künstler aufgebaut wurde, ist in Kirchheim weniger bekannt.

Eine Auswahl dieser Werke ist nun in der aktuellen Ausstellung ­„(S)election – Neuerwerbungen 2005 bis 2015“ im Kornhaus zu sehen. Angesichts eines vergleichsweise geringen Ankaufsetats beeindrucken die gezeigten Sammlungsstücke durch Qualität, Konsequenz und Konsistenz. „Wenn man schaut, wer alles schon hier war, dann hätte man gerne noch das eine oder andere Stück gehabt, aber wir müssen die Wahl innerhalb des Budgets treffen“, stellte Monika Schaber, Mitglied des Kunstbeirats in Bezug auf den Ausstellungstitel fest. „So wie sich die Preise entwickelt haben, könnten wir uns von einigen Künstlern inzwischen kein Werk mehr leisten“, führte Monika Schaber weiter aus. Auffallend ist das durchgängig hohe Niveau der Sammlung. Sie enthält Werke von Künstlern, deren Arbeit häufig die Gattungsgrenzen der künstlerischen Disziplinen überschreiten und zwischen Konzept-, Aktions- oder Medienkunst und den traditionellen Techniken Zeichnung, Fotografie und Malerei wechseln. Künstler wie Jürgen Palmtag, Monika Nuber, Jörg Mandernach oder Koho Mori-Newton sind außerdem als Musiker tätig.

„Ich möchte den Kunstbeirat als eine Art Ideengeber in unserer Stadt und in der Kunstszene bezeichnen“, so Matt-Heidecker weiter. „Es sind auch die manchmal etwas schrilleren Ideen, die herausfordern und uns die Welt mit anderen Augen sehen lassen. Die Arbeiten der 13 Künstler, die hier zu sehen sind, sind ein Ausdruck von Vielfalt – und Vielfalt tut einer Stadt gut“, betonte das Stadtoberhaupt.

Der Kunstbeirat besteht aus Künstlern, Kunstwissenschaftlern und Architekten. „Jeder von uns ist wirklich mit Herzblut bei dieser Sache dabei“, erklärte Monika Schaber vom Kunstbeirat. „Wir versuchen, unser Bestes zu geben und das im Ehrenamt. Im Rückblick sind hier seit dem Jahr 2005 fünfzig Ausstellungen entstanden.“ Die ausgestellten Künstler sind nicht nur regional, sondern deutschlandweit von Rang, mehrere Verbindungen der Sammlung reichen nach Frankreich, in die Schweiz und in die USA. Der eingangs erwähnte Konrad Mühe ist Jahrgang 1982 und gehört zur jüngeren Generation, deren Werke in der Ausstellung zu sehen sind. Bisher am stärksten vertreten sind die in den 1950er- und 1960er-Jahren Geborenen, aber die Liste reicht auch bis zu Jahrgängen der 1940er-Jahre zurück.

Bei der gut besuchten Ausstellung stellten die Beiratsmitglieder einzelne Werkbeispiele vor. Das Interesse des Publikums wurde dabei mit interessanten und tiefen Einblicken in die Herkunftsgeschichte der jeweiligen Arbeiten belohnt. Immer wieder gaben die Beiräte auch Anekdoten über die Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Künstlern zum Besten. Die Ausstellung und die Eröffnung wurden damit zu einer Art Selbstvergewisserung der Kuratoren und ihrer Entscheidungen. Den Besuchern wurden dabei nicht nur die Ernsthaftigkeit, Fachkompetenz und einige der Auswahlkriterien vermittelt, sondern es wurde deutlich, wie viel „Herzblut“ und Leidenschaft für die zeitgenössische Kunst tatsächlich hinter diesen Entscheidungen stehen. Bis Ende Mai können sich die Kirchheimer und die Besucher der Stadt diese überzeugende Ausstellung ansehen.