Kirchheim/Lenningen. Die Nachricht von der Erkrankung ihres einzigen Kindes hat Nicos Eltern schwer getroffen. Wieder und wieder fahren sie nach Stuttgart, wo die Ärzte versuchen, ihr Kind mit einer Chemotherapie zu heilen. Das Verfahren schlägt bislang gut an. „Doch das kann sich täglich ändern“, wie Daniela Ochs, eine enge Freundin der Familie, erzählt. Sie spricht für die Eltern, die zu betroffen sind, um selbst an die Öffentlichkeit zu gehen.
Daniela Ochs geht die Diagnose von Nico nahe. Sie würde ihm gerne helfen, doch der Junge braucht einen geeigneten Stammzellenspender, für den Fall, dass die Chemotherapie nicht mehr anschlägt. „Bei der Behandlung werden die entarteten weißen Blutkörperchen zerstört, die sich in Nicos Körper unkontrolliert vermehren und so die normale Blutbildung verhindern“, erklärt Sabrina Krüger. „Läuft alles gut, kann das blutbildende System durch die Chemo gesunde, funktionsfähige Blutkörperchen bilden.“ Gelingt das nicht, ist Nico dringend auf einen Stammzellenspender angewiesen, denn ohne Knochenmark können Betroffene nicht lange überleben, wie die Vertreterin der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) mit Sitz in Tübingen betont.
Aus diesem Grund besteht für alle, die Nico und anderen helfen wollen, am Sonntag, 24. Juli, die Möglichkeit, zwischen 11 und 16 Uhr in der Naberner Gießnauhalle an der Aktion der DKMS teilzunehmen und sich als Spender registrieren zu lassen. Die Freunde von Nicos Eltern haben die Veranstaltung organisiert. Unterstützt werden sie dabei von der Freiwilligen Feuerwehr Nabern und dem DRK Kirchheim. Alle 15 Minuten erhält in Deutschland ein Patient die niederschmetternde Diagnose Blutkrebs. „Darunter auch viele Kinder und Jugendliche“, weiß Sabrina Krüger. „Eine Stammzellenspende kann ihnen eine neue Lebenschance geben, wenn andere Methoden versagen.“
Während vor Jahrzehnten der Befund Leukämie noch einem Todesurteil gleichkam, verzeichnet die Medizin laut Krüger heute sehr gute Heilungserfolge, dank der Möglichkeit, ein Blutbild vom Spender auf den Empfänger zu übertragen. „Im Prinzip wird durch das Verfahren der Stammzellen- beziehungsweise Knochenmarkspende das gesamte Blut der Patienten ausgetauscht“, erklärt die DKMS-Vertreterin. „Die Wahrscheinlichkeit, als Spender zum Lebensretter zu werden, ist also sehr groß.“ Nur ein Drittel der Betroffenen findet Sabrina Krüger zufolge einen Spender, der die identischen Gewebsmerkmale aufweist, in der eigenen Familie. Die Mehrheit der Blutkrebspatienten sei damit auf Fremde angewiesen, die bereit sind, Hilfe zu leisten.
Die Registrierung am Sonntag in der Naberner Gießnauhalle tut nicht weh. „Bei der Aktion wird den Teilnehmern, die zwischen 17 und 55 Jahre alt sein sollten, Blut abgenommen. Anschließend werden die Gewebemerkmale im Labor analysiert“, berichtet Sabrina Krüger. Kommt ein Teilnehmer als Spender infrage, wird ihm ein weiteres Mal Blut abgenommen, das dann auf Infektionserreger, wie zum Beispiel HIV oder Hepatitis-Viren, untersucht wird. Steht nach dem Gesundheitscheck einer Spende nichts mehr im Wege, wird dem Lebensretter der Wachstumsfaktor G-CSF verabreicht. „Das Medikament steigert die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut“, erläutert Sabrina Krüger. „In 80 Prozent der Fälle entnehmen die Ärzte in einem Verfahren, das der Blutspende ähnelt, dann die Stammzellen.“ Erfahrungsgemäß sei dazu ein drei- bis fünfstündiger Aufenthalt in der Klinik erforderlich.
In 20 Prozent der Fälle komme die Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm unter Vollnarkose zum Einsatz. „Es ist eine kleine Operation, die etwa 60 Minuten dauert. Der lokale Wundschmerz ist mit einer Prellung vergleichbar.“ Für die Entnahme müsse der Spender drei Tage ins Krankenhaus, Aufnahme- und Entlassungstag eingerechnet. Sämtliche Kosten, die im Zuge der Spende anfallen, übernimmt laut Sabrina Krüger die Krankenkasse des Blutkrebspatienten.
Daniela Ochs hofft, dass viele am 24. Juli bereit sind, Nico und anderen Betroffenen zu helfen. Sie wünscht sich, dass der Sohn ihrer Freundin bald wieder lachen und ein normales, unbelastetes Leben führen kann. „Ich habe ihn im Krankenhaus besucht und andere Kinder mit derselben Diagnose auf der Station gesehen – das hat mich sehr getroffen“, erzählt sie mit stockender Stimme. „Ich und andere Freunde unterstützen Nico und seine Eltern, wo wir können. Alle hoffen, dass er die Stammzellenspende nicht braucht, aber es wäre von unschätzbarem Wert, wenn wir bei der Typisierungsaktion einen potenziellen Spender finden würden, der bereitsteht, wenn die Chemo nicht weiterhilft.“