Kirchheim
Notfälle werden zur Daueraufgabe

Unterbringung Die Flüchtlingszahlen steigen weiter an. Die Stadt Kirchheim muss jeden Monat Plätze zur Unterbringung von 40 bis 50 Menschen schaffen. Von Andreas Volz

Es geht immer wieder um den Notfall, zumindest aber um den Ernstfall. Wichtig ist es, möglichst auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Aus diesem Grund hat die Stadt Kirchheim Vorsorge getroffen, um ganz schnell reagieren zu können, sollte plötzlich ein Bus dastehen, der voll besetzt ist mit Flüchtlingen. Die Stadt wäre dann nämlich verpflichtet, allen Bus-Insassen noch am selben Tag eine passende Unterkunft anzubieten.

Ganz so schnell lässt sich auf die Schnelle aber keine Lösung finden, um 50 Leuten ein Dach über dem Kopf bieten zu können. Das ist der Grund, warum die Konrad-Widerholt-Halle als Notunterkunft zur Verfügung stehen soll. „Wir haben uns das gemeinsam mit dem DRK angeschaut“, sagt Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader. Die Halle an der Armbruststraße sei jetzt vorbereitet und mit den nötigen Ausrüstungsgegenständen versehen, sodass rasch Nägel mit Köpfen gemacht werden können.

Halle als Puffer

„Wir brauchen die Halle als Puffer“, betont der Oberbürgermeister. Das Landratsamt habe angekündigt, dass es jederzeit Zuweisungen geben könne, die in etwa folgendermaßen aussehen: „Kommune xy erhält in wenigen Tagen 20, 40, 50 Personen.“ Den Grund für solche kurzfristigen Zuweisungen kann Pascal Bader durchaus nachvollziehen: „Die Möglichkeiten, die dem Landkreises für die vorläufige Unterbringung zur Verfügung stehen, sind mittlerweile komplett ausgeschöpft.“

Vage Zahlen, mit denen Pascal Bader rechnen konnte, besagten noch, dass im Landkreis Esslingen jeden Monat mehr als 500 Flüchtlinge unterzubringen sind, 400 aus der Ukraine und über 100 aus anderen Ländern. Inzwischen habe sich die Situation abermals verschärft: „Der Druck wird größer, es ist mit einem Anstieg der Zahlen zu rechnen, was Flüchtlinge aus anderen Ländern betrifft.“ Für Kirchheim bedeutet das, dass die Stadt für rund acht Prozent der Geflüchteten im Kreis Esslingen Unterbringungsplätze zu schaffen hat. Das macht rein rechnerisch 40 bis 50 Personen pro Monat.

Die Konrad-Widerholt-Halle kann in diesem Fall keine Dauerlösung sein. Das ist der Grund, warum die Stadt kürzlich sechs Millionen Euro im Haushalt freigeschaufelt hat, um Container für die Unterbringung anschaffen zu können – was aber ebenfalls keine Dauerlösung sein soll. Als Standort für diese Container sei das Güterbahnhofsgelände allerdings nur eine von mehreren Optionen. Auch andere Standorte stünden intern noch zur Diskussion.

So sehr der Oberbürgermeister aber auch betont, dass die KW-Halle wirklich nur im äußersten Notfall zur Verfügung stehen soll und dass sie ja auch nur teilweise belegt werden könne, so sehr sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache: Die bestellten Container, die immerhin zweistöckig aufgestellt werden sollen, reichen für die Unterbringung von 80 bis 90 Personen – „je nachdem auch, ob wir Einzelpersonen zugeteilt bekommen oder ganze Familien“.

Folglich würde, bei 40 bis 50 Menschen pro Monat, die Menge der Container, die aktuell ausgeschrieben sind, gerade einmal für zwei Monate reichen. Auf ein Jahr hochgerechnet, müsste also die sechsfache Menge an Containern her. Das dürfte auf Dauer kaum zu leisten sein – aus Platzgründen so wenig wie aus finanziellen Gründen. Der Standort Güterbahnhof müsste also auf jeden Fall zur Verfügung stehen, und dazu auch fünf weitere denkbare Standorte, falls die Stadt an den Grundzügen der dezentralen Unterbringung festhalten möchte. Und sechs mal sechs Millionen Euro ergäbe 36 Millionen Euro pro Jahr. Wenn die Stadt diese Summe für eine einzige Pflichtausgabe hinblättern muss, bleibt für irgendwelche anderen Investitionen kein Geld mehr übrig.

Hinzu kommt, dass es sich nicht um ein singuläres Ereignis handelt. Der Oberbürgermeister spricht von einer „Daueraufgabe“. Gefragt sein könnte demnach nichts weniger als die Quadratur des Kreises. Das ist Pascal Bader sehr wohl bewusst, wenn er in deutlichem Understatement konstatiert: „Es wird nicht einfach.“ Angesichts des russischen Angriffskriegs sieht er aber keine großen Alternativen zu den geforderten Anstrengungen: „Wir müssen da an der Seite der Ukraine stehen und mit Einschränkungen unsererseits klarkommen.“