Beuren. „Use it or loose it“ sagt ein bekanntes englisches Sprichwort: Gebrauche deine Begabungen und Fähigkeiten, oder du wirst sie verlieren. Das gilt auch für alte Sorten: Werden sie nicht mehr gezüchtet und nachgefragt, sterben sie aus. Warum manches alte Gemüse nicht mehr gepflanzt wird, erläuterte Werner Kost vom Landratsamt Tübingen in einem der begleitenden Vorträge beim Beurener Frühlingsmarkt: Es macht Arbeit, braucht die richtige Lagerung, oft fehlt das Wissen über die Zubereitung – und die Zeit dazu. Wer den Schwarzwurzelanbau versuchen will, muss bei diesem „Spargel des kleinen Mannes“ einiges beachten: Etwa, dass die Wurzel auch eine Delikatesse für Mäuse ist. Die Ernte mit dem Spaten ist anstrengend, die Lagerung sollte bei null bis einem Grad Celsius, 95 bis 98 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit und Dunkelheit erfolgen.
Es geschieht inzwischen viel, um alte Sorten zu erhalten, etwa durch Saatgut-Tauschbörsen. Eine kleine gab es auch im Freilichtmuseum. Neu ist das Projekt „Genbänkle“, das alte Sorten durch Anbau und Nutzung erhalten will. Ein Blick in die Vergangenheit lohnt sich: Die Staatsschule für Gartenbau und Landwirtschaft in Hohenheim erläutert beim Frühlingsmarkt, wie ausgeklügelt ein Nutz- und Ziergarten nach Omas Tradition war: mit zentral gelegener Wasserstelle, einem Zaun gegen Wildtiere und einer klaren Struktur für leichte Erreichbarkeit.
Durch die Gärten im Freilichtmuseum führte Dr. Bettina Elbern-Nguyen aus Frickenhausen. Die Zitronenmelisse, sagte sie, erlebe derzeit eine Renaissance als Küchenkraut. Sie empfahl sie für die Erdbeerbowle, in Obstsalaten oder zur Forelle. Sie sei auch ein Heilkraut für Herz und Kreislauf. Der Rhabarber sei ein Vielzweckkraut, er eigne sich zur färbenden Unterstützung blonder Haare, und seine Wurzel wirke abführend. Man dürfe ihn aber nicht das ganze Jahr über ernten, denn in der Saison nehme der Oxalsäuregehalt immer mehr zu, das sei nierenreizend.
Das Ernterisiko trägt normalerweise der Bauer alleine. Nicht so in der Solidarischen Landwirtschaft Hopfenhof, die bereits gut 60 Teilnehmer zählt und 100 anstrebt. Die Teilnehmer legen gemeinsam mit dem Landwirt fest, was angebaut wird. „Man lernt, mit den Sachen umzugehen, die es hier gibt, und sucht nach Rezepten dafür, etwa für Pastinaken“, sagt Rhea Halm, die seit April 2015 dabei ist. „Das ist eine Bereicherung.“ Man könne als Teilnehmer in der Landwirtschaft praktisch helfen, aber müsse nicht.
Etwas gegen langweilige Feuchtwiesen hat Dr. Sybille Hartmann von der Regionalgruppe Tübingen des „Netzwerks Blühende Landschaft“. Das Mähgut müsse runter von der Wiese, doch die meisten Leute wüssten nicht wohin. Ihr Tipp: „Viele Bauern haben inzwischen Pflegepferde und haben Interesse an Heu.“ Das sei eine Win-win-Situation: „Ich habe eine blühende Wiese und der Landwirt Heu umsonst.“
„Früher galt die Dachwurz als natürlicher Blitzableiter“, erklärt die Museumspädagogin Isolde Halm. Für die Pflanzaktion mit Kindern wurde die Dachwurz ausgewählt, weil sie sich gut greifen lässt, sie bereitwillig das vergessene Gießen verzeiht und weil sie schön blüht.
Nebendran war bei den Kindern das Pfannkuchenbacken sehr gefragt. Der Mixer mit Kurbelantrieb wurde schön im Kreis herumgereicht. Als beim Eiaufschlagen Schalenstücke in den Teig hineinfielen, sagte Esther Wiemann vom Nürtinger Käsekontor: „Das macht den Pfannkuchen nur knuspriger.“ Doch dann zeigte sie den Kindern, wie man die Stückchen wieder herausfischt.
Sich die passenden Sorten herauszufischen, war für die Erwachsenen beim Frühlingsmarkt gar nicht so einfach – warb doch schon eine einziger Anbieter, Thomas Hägele aus Bühlertann, mit 150 Tomatensorten, 120 Sorten Chili und 15 Sorten Paprika. Bioqualität war nicht nur bei ihm, sondern bei sehr vielen Anbietern zu haben – und fachkundige Beratung obendrauf.