Kirchheim
Ohne Strom braucht’s keine Batterien

Landtagswahl Die Jusos im Landkreis Esslingen haben mit Kevin Kühnert und den drei SPD-Landtagskandidaten Regina Birner, Andreas Kenner und Nicolas Fink über die Zukunft des Landes diskutiert. Von Peter Dietrich

Was haben der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzende Kevin Kühnert und die SPD-Landtagskandidaten Regina Birner, Andreas Kenner und Nicolas Fink gemeinsam? Daniel Krusic von den Jusos weiß es: Alle vier engagieren sich kommunalpolitisch. Bei Kevin Kühnert ist es kein Gemeinderat, sondern eine Berliner Bezirksverordnetenversammlung.

Die Diskussion fand auf Facebook statt, was prompt zur Zuschauerfrage führte: Alle gro­ßen Diensteanbieter sitzen in den USA, wie lässt sich das ändern? Die Machtkonzentration sei zu groß und hemme Innovationen, sagte Kevin Kühnert, er sei aber beim Projekt, alternativ eine staatliche Kommunikationsplattform einzurichten, unentschieden: Die Daten seien bei Facebook in schlechten Händen, aber bei einer großen staatlichen Behörde sehe er das auch kritisch. Regina Birner schlug vor, in Deutschland die Bedingungen für Start-up-Unternehmen zu verbessern, etwa durch leichteren Zugang zu Risikokapital.

Der erste große Themenblock war die Autoindustrie. Die Wertschöpfung bei E-Autos liege nicht in der Karosserie, sagte Kevin Kühnert, sondern in der Batterie und den Chips, etwa für die Motorensteuerung. Diese kämen derzeit alle aus Asien, vor allem aus China. Die Hersteller hätten sich weitgehend für die Batterie entschieden, Wasserstoff sei mehr etwas für Busse und Bahnen - und für die grüne Stahlproduktion.

Nicolas Fink war von 2002 bis 2006 Ortsvorsteher von Kirchheim-Nabern und weiß noch, wie die Brennstoffzelle bei Daimler damals schon „kurz davor“ war. Er hält weitere Gewerbegebiete für nötig, es sei auch wichtig, frei werdende Flächen schnell wieder zu bespielen. Außerdem forderte er einen Weiterbildungsfonds mit öffentlichen Geldern. Beide Speicher, Batterie und Wasserstoff, bräuchten klimaneutral erzeugten Strom, betonte Regina Birner. Andreas Kenner stimmte zu: „Ohne Strom aus erneuerbaren Energien brauchen wir auch keine Batterien.“ Bei diesen liege das Problem in den seltenen Erden. Neulich habe ihn ein Zwölfjähriger gefragt, wie das funktionieren solle, wenn abends 30 Millionen Fahrer alle ihr Auto laden wollten. Deshalb brauche es eine antriebsoffene Diskussion und einen besseren öffentlichen Nahverkehr.

Es sei klar, dass es in der Autoindustrie künftig weniger Arbeitsplätze gebe, sagte Kevin Kühnert. Es sei eine Chance, wenn jemand mit 40 nochmals etwas Neues beginnen könne, Lohnersatzleis­tungen sollten beim fließenden Übergang helfen.

„Es braucht einen aktiven Staat“

Der zweite Block galt der Digitalisierung. Für den digitalen Netzausbau brauche es einen aktiven Staat, sagte Nicolas Fink. Regina Birner verwies auf ganz verschiedene Modelle: „In Kenia sind die Unternehmen dem ländlichen Raum verpflichtet.“ Es sei auch denkbar, dass Unternehmen in einen Fonds einzahlen müssen. Warum, fragte Kevin Kühnert, gebe es nicht in jeder Kleinstadt eine Videobox für ein Gespräch mit beliebigen Behörden? Warum könne man den Reisepass nicht am Automaten abholen? Andreas Kenner empört das Versprechen, bis 2030 hätten 80 Prozent der Baden-Württemberger schnelles Netz. Alle Württemberger ab 1900 ans Wassernetz anzuschließen, habe nur fünf Jahre gedauert. Die Digitalisierung solle nicht die Begegnung ersetzen: „In der Zeit, die ich nicht auf dem Rathaus warten muss, kann ich später mit einem Freund ins Jazzkonzert.“

Und Corona und der Handel? Kevin Kühnert kritisierte die CDU, sie habe das Mietmoratorium, das Kündigungen verhindert habe, im Sommer 2020 nicht verlängern wollen. Die sehr lange Zeit nicht ausbezahlten Novemberhilfen nannte er „ein Stück aus dem Tollhaus“. Corona werde bleiben, aber eingedämmt, das gehe aber nur weltweit. „Grenzschließungen sind keine ernsthafte Option, wir sind eine Schicksalsgemeinschaft.“

Eine Zuschauerfrage galt der Heimarbeit, die zu zweit in zweieinhalb Zimmern kaum möglich sei. „Wir sprechen von einem Recht auf mobile Arbeit, keine Pflicht“, stellte Kevin Kühnert klar. „Kein Arbeitgeber kann verlangen, dass zuhause ein Arbeitsplatz eingerichtet wird. Ich selbst lebe in einer WG und sitze deshalb gerade im Willy-Brandt-Haus.“