Kirchheim

„Opa, was machst du?“

Erfahrungsaustausch bei Bezirkssynode des Evangelischen Kirchenbezirks Kirchheim zum Thema „Flüchtlinge“

Schon die Umfrage am Eingang der Auferstehungskirche zeigte das Thema der Bezirkssynode des Evangelischen Kirchenbezirks: Es ging um Flüchtlinge. Es folgten Gesprächskreise, eine Menge Zahlen und Fakten und ein Einblick in verschiedene Arbeitsfelder.

Bei der Bezirkssynode gab es mehrere Gesprächsrunden zum Thema Flüchtlingsarbeit.Foto: pd
Bei der Bezirkssynode gab es mehrere Gesprächsrunden zum Thema Flüchtlingsarbeit.Foto: pd

Kirchheim. Die meisten Synodalen und Gäste, so das Ergebnis der Umfrage, kennen mindestens einen Flüchtling, waren schon in einer Unterkunft und sind ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Nur eine kleine Minderheit hat sich schon mal bedroht gefühlt. „Die Bibel ist gefüllt mit Flüchtlingsgeschichten“, sagte Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, zur Einführung in die Gesprächskreise: Welche Rolle spielt Kirche in der Flüchtlingsarbeit? Kann man kritisch sein, ohne gleich rechts zu sein? Was würde jeder selbst tun, lebte er ohne Perspektive in einem Kriegsgebiet?

Die Kirchen haben ihre Räume für Flüchtlinge geöffnet, mit ihnen Heiligabend verbracht, sind oft Träger von Arbeitskreisen geworden, haben mit bürgerlichen Gemeinden Netzwerke geknüpft. Doch sie stoßen an Grenzen, die eigene Personaldecke ist dünn. Sie haben gemerkt, dass nicht nur Flüchtlinge seelsorgerlichen Beistand brauchen, sondern auch überforderte Helfer. Nur ganz wenigen Leuten gehe es durch die Flüchtlinge schlechter, sagten Gesprächsteilnehmer, etwa durch Konkurrenz um Wohnungen. Aber die Flüchtlinge machten die soziale Schieflage, die schon vorher da war, sichtbar, das könne heilsam sein. Eine Spannung herrsche bei der Menschenwürde: Sie sei unteilbar, hänge aber vom gesetzlichen Status ab.

Für Zahlen sorgte Veronika Schlechter vom Kreisdiakonieverband. Von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit seien 20 Millionen in ein anderes Land geflohen. Jedes zehnte Kind wachse in einem Kriegsgebiet auf. Die Zahl der Asylanträge in Deutschland verlief in Wellen: 1992 waren es mit knapp 440 000 schon einmal fast so viele wie 2015. Die Chance für eine Aufenthaltserlaubnis reicht von 99 Prozent für Syrer bis zu 0,3 Prozent für Menschen aus dem Kosovo. Im Landkreis Esslingen waren im Januar etwa 5 500 Flüchtlinge untergebracht, es gab 103 Unterkünfte und etwa 50 ehrenamtliche Arbeitskreise.

Als erstes Arbeitsfeld berichteten drei Erzieherinnen aus dem städtischen Au-Kindergarten mit vielen Flüchtlingskindern: Planung könne man vergessen, man müsse spontan sein. Die Eingewöhnungsphase dauere das ganze Jahr über. Die Erzieherinnen wünschen sich mehr Infos über kulturelle Hintergründe der Kinder. Dekanin Renate Kath versuchte vergeblich, spontan einen Referenten zu vermitteln. Alexander Ziehlinger betreut für die Stiftung Tragwerk unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie seien sehr dankbar und wissbegierig, es fehlten Schulplätze und Fachpersonal. Die Sprachprobleme legten sich meistens innerhalb von drei Monaten. Über ihre Traumata berichten die Jugendlichen erst nach einem halben Jahr oder Jahr. Beim Deutschunterricht in Kirchheim gibt es lernwillige Jugendliche – aber auch andere und sogar Analphabeten. „Wir sind mit 16 bis 18  Jugendlichen alleine“, berichtete Nina Fischer.

In Weilheim bringt der AK Asyl Mitarbeiter der verschiedenen kirchlichen Gruppen erfolgreich an einen Tisch. In der Beratungsstelle Chai ist das ganz große Thema der Familiennachzug. Aus Ochsenwang erzählte Ernst Schmid vom Fahrdienst für 22  junge Flüchtlinge aus Gambia nach dem Anhalterprinzip: „Die Leute erzählen im Auto, wo sie hinfahren oder herkommen, und sie fragen mich, ‚Opa, was machst du?‘“

Manche Ehrenamtliche leiden, wenn Flüchtlinge die Geduld verlieren oder sie von anderen angegriffen werden, warum sie diesen Menschen helfen. Sich einfach treffen und reden habe im Begegnungscafé im Eckpunkt nicht funktioniert, berichtete Pfarrer Jochen Maier. Nun werde erfolgreich mit einem Deutschkurs geübt, es hätten sich Patenschaften entwickelt.

Flüchtlingsarbeit kennt Sorge und Ohnmacht, Dank und Zuversicht. Sie wurden am Schluss an vier geistlichen Stationen bedacht. Zu ihnen gehörte eine Klagemauer aus Lochsteinen, die kleine Zettel mit Gebetsanliegen aufnahm – fast wie beim jüdischen Original in Jerusalem.pd