Kirchheim
Plädoyer für Toleranz und Streitkultur

Lesung Schriftsteller Simon Urban liest aus dem Roman „Zwischen Welten“, den er zusammen mit Erfolgsautorin Juli Zeh geschrieben hat. Von Sylvia Horlebein

Es ist eines der umstrittenen Bücher auf dem Markt, aber der Gesellschaftsroman „Zwischen Welten“ ist eine Bereicherung für die heutige Zeit. Das empfinden die Kirchheimer auch so, und so war es kein Wunder, dass die Buchhandlung Zimmermann noch kurz vor Beginn weitere Stühle suchen musste, um allen Interessierten einen Platz zu verschaffen.

Die kontroversen Diskussionen blieben aber aus, vielmehr saßen die Zuhörer mucksmäuschenstill vor der Bühne und lauschten gespannt dem Wortgefecht von Simon Urban und der Sprecherin Luise Wunderlich, die den Gegenpart übernahm, da die Mitautorin Juli Zeh an diesem Abend nicht da sein konnte. Trotz der schweren Themen in den Dialogen, wie Klimawandel, Gendersprache oder der Ukrainekrieg, sorgen die ausgewählten Passagen für gelöstes Lachen. Die aggressiven Whatsapp-Nachrichten zwischen den Hauptpersonen Stefan und Theresa sorgten für viele Fragezeichen, die von der Moderatorin des Abends, Sibylle Mockler, immer wieder aufgenommen und in Worte gefasst werden.

Ist das Buch wirklich realistisch? Kann man sich tatsächlich so über einen Messenger-Dienst streiten? So aus der Haut fahren und überreagieren? Ja, meinen die Schriftsteller, und Urban stellt klar, dass gerade diese Form der Kommunikation zu Überreaktionen verführt. Und genau das ist das Konzept dieses Briefromans: Reibung. Zeh und Urban zeigen auf, wie einfach es ist, sich aneinander zu reiben und sich dadurch auch zu entwickeln. Wie wichtig es für eine lebendige Demokratie ist, dass man sich gegenseitig zuhört. Dass Meinungen auch einmal stehenbleiben können müssen, dass man auch befreundet sein kann, wenn man nicht derselben Meinung ist.

Ein Plädoyer für Toleranz

Alles positive Aspekte. Umso erstaunlicher ist es, dass Sibylle Mockler keine der beiden Figuren sympathisch findet. Da stellt sich automatisch die Frage, wie viel von Zeh und Urban stecken eigentlich in Theresa und Stefan? Die Geschlechter und die Wohnorte, ansonsten geht es in dem Buch nicht darum, dass einer von beiden seine Meinungen oder Empfindungen in den Protagonisten widerspiegelt.

Vielmehr ist das Buch ein Plädoyer für Toleranz und eine bessere Streitkultur, ohne den Finger zu erheben.

Trotz drei Lesephasen schaffen es Urban und Wunderlich geschickt, nicht zu viel zu verraten. Doch eines ist klar: Aus kurzen, aggressiven Whatsapp-Nachrichten werden im Laufe der 448 Seiten lange Briefe, die mehr in die Tiefe gehen. Die Figuren entwickeln sich, schaffen es mit der fortschreitenden Geschichte, den eigenen Tellerrand zu verlassen.

Ein kleiner Spoiler muss sein

Urban verrät, dass in dem Buch auch ein Gewehr vorkommt, und wie heißt es so schön: Wo ein Gewehr ist, da wird es auch abgefeuert. Ob das auch so ist, verrät Urban nicht. Neugierig waren die Gäs­te schon, aber viele Fragen wurden nicht gestellt. Nur Dorothee Fries aus Kirchheim stellte verwundert fest, dass sie beim Lesen viel mehr Aggression „gehört“ hat als an dem Abend auf der Bühne.

Wer selbst gerne mal bei einer Lesung in der Buchhandlung Zimmermann dabei sein möchte, findet auf Zimmermann’s Kulturkalender weitere Termine im Internet unter www.zimmermann.buchhandlung.de

 

Das Buch ist im Luchterhand Literaturverlag erschienen.