Kirchheim
Politiker fordern freien Sonntag

Beruf Sieben Politikerinnen und Politiker, darunter die Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis, fordern familienfreundlichere Arbeitszeiten. Erstes Ziel: Der Terminkalender soll sonntags leer sein. Von Antje Dörr

Feuerwehrfest, Ausstellungseröffnung, Bauernmarkt: Der Sonntag ist bei Politikerinnen und Politikern traditionell kein Tag der Ruhe und Erholung, sondern der Tag, an dem sie sich unters Volk mischen und mit ihren Wählerinnen und Wählern in Kontakt treten. „Eigentlich will man ja da hingehen. Eigentlich ist genau das Wahlkreisarbeit“, sagt Andreas Kenner, Landtagsabgeordneter der SPD im Wahlkreis Kirchheim. „Aber wenn man eh schon die ganze Woche unterwegs ist, und dann auch noch sonntags, ist der Partner praktisch alleinerziehend“.

 

Die Arbeitszeiten sind familienfeindlich.
Andreas Kenner
SPD-Landtagsabgeordneter 

 

Kenner gehört zu den Landespolitikerinnen und -politikern, die auf Initiative des Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne) unter anderem den politikfreien Sonntag fordern und damit bundesweit für Schlagzeilen gesorgt haben. Mit von der Partie sind außer den drei Kirchheimer Wahlkreisvertretern noch Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Grüne), SPD-Fraktionsvize Nicolas Fink, der CDU-Abgeordnete Andreas Deuschle und FDP-Newcomer Dennis Birnstock. Ihnen allen geht es auch darum, den Beruf des Politikers attraktiv zu halten. „Die Arbeitszeiten sind familienfeindlich“, sagt Andreas Kenner und schließt damit auch Abgeordnete in, die alte Eltern haben, um die sie sich kümmern wollen. Während Kenners Kinder erwachsen sind und eigene Kinder haben, ist Dr. Natalie Pfau Weller, CDU-Landtagsabgeordnete und Unterstützerin der Initiative, noch längst nicht aus dem Gröbsten raus. Ihre Tochter ist drei Jahre alt. Neben ihrem Abgeordnetenmandat ist Pfau-Weller, ebenso wie Andreas Kenner, Mitglied im Kirchheimer Gemeinderat. Oftmals fahren die beiden vom Stuttgarter Landtag aus direkt ins Rathaus. „Vor 23 Uhr ist an solchen Abenden selten Schluss“, sagt Kenner.

Einer, der den politikfreien Sonntag nach eigener Aussage schon lange praktiziert, ist Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Als Spitzenpolitiker ist sein Terminkalender naturgemäß noch ein wenig voller als der von Kenner und Pfau-Weller. „Ich arbeite teilweise jeden Abend bis 23 Uhr. Da finde ich es legitim, sonntags nicht zu arbeiten“, sagt Schwarz. Wenn der Teckbote anrufe oder Winfried Kretschmann um ein Gespräch bitte, mache er natürlich schon mal eine Ausnahme. Aber generell gilt: „Der Sonntag gehört der Familie“. 

Dass es nicht gelingen wird, den Sonntag komplett politikfrei zu halten, ist allen Beteiligten bewusst. „Wir haben natürlich nicht vor, sonntags nie wieder irgendwo mehr hinzugehen“, sagt Andreas Kenner. Denkbar wäre für ihn beispielsweise, sich immer wieder gegenseitig zu vertreten, wie das auch schon jetzt unter den drei Abgeordneten im Wahlkreis Kirchheim gute Praxis sei. „Als vor Jahren das Blockheizkraftwerk eingeweiht wurde mit Staatssekretär, habe ich Andi Schwarz‘ Grußwort gehalten, damit er zur Einschulung seiner Tochter konnte“, erinnert er sich lache nd. „Das kam unheimlich gut an.“

Auch Andreas Schwarz lächelt, als er auf diese Anekdote angesprochen wird. „Das spricht für eine hohe Kollegialität unter uns Abgeordneten, dass man sich gegenseitig vertritt, und auch vertraut“, sagt er. Aber selbst bei weniger hochbesetzten Veranstaltungen komme es häufiger vor, dass einer hingehe und die Grüße der anderen ausrichte, sagt Andreas Kenner. Oftmals profitierten die Veranstaltungen ja auch davon. „Einmal hätten sieben Abgeordnete ein Grußwort halten sollen, in Unterensingen, beim Bund der Selbständigen. Ich  habe gesagt, ‘Bis wir da durch sind, ist die Halle leer’“, erzählt Kenner feixend. Seitdem wechseln sich die Abgeordneten mit ihren Grußworten im Jahresturnus ab. Natalie Pfau-Weller nimmt ihre Familie ab und an auf Veranstaltungen mit. „So ein Musikvereinsfest gefällt auch meiner Tochter“, sagt sie. 

Die CDU-Landtagsabgeordnete würde sich freuen, wenn sich noch mehr Abgeordnete der Initiative anschließend würden. Über den politikfreien Sonntag hinaus gebe es bei der Familienfreundlichkeit noch Luft nach oben. „Erst seit der letzten Legislaturperiode gibt es im Landtag die Regelung, dass Säuglinge mit in den Plenarsaal dürfen“, sagt sie. Auch eine Wickelmöglichkeit sei erst vor kurzem geschaffen worden. „Immerhin gibt es seit der letzten Legislatur eine Tagesmutter im Landtag, die die Randzeiten abdeckt“, sagt Pfau-Weller und überlegt schon, ob es nicht langfristig eine Kita für die Kinder der Abgeordneten und Mitarbeiter geben sollte.