Kirchheim
Preziosen und Impressionen aus Paris

Konzert Jörge Becker, Petra Menzel und Chris­toph Plum begeisterten in der Auferstehungskirche mit einem musikalisch-literarischen Streifzug durch Paris.Von Hans-Günther Driess

Freudig begrüßt Pfarrer Axel Rickelt die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer zum Auftakt einer Konzert­reihe, die im Rahmen des 50. Geburtstages seiner Auferstehungskirche stattfindet. „Paris! – ein musikalisch-literarischer Spaziergang“ versprach Preziosen und Impressionen aus der französischen Metropole mit drei hochkarätigen Künstlern, dem Solotrompeter des SWR-Symphonie­orchesters Jörge Becker, der Pia­nistin Petra Menzel und dem Moderator Christoph Plum.

Mit feurigem Fanfarenklang eröffnet Jörge Becker den Abend im „Concerto pur Trompet“, das der Komponist Robert Planel, der von 1908 bis 1994 lebte, ursprünglich für Maurice André geschrieben hatte. Die Komposition spiegelt Leichtigkeit wider, stellt aber höchste Ansprüche an die beiden Künstler hinsichtlich Virtuosität und Spieltechnik. Der zweite Satz
 

„Die Musik spiegelt hier den wilden Verkehr in Paris wider.
Jörge Becker
Der Trompeter über den Tanz ­„Saltarell“ von Henri Tommasi

 

erinnert durch seine kantable Melodik an französische Chansons, daher verwendet Becker einen Cup-Dämpfer zur Nachahmung der menschlichen Stimme, und im spritzigen dritten Satz zeigt die Pianistin Petra Menzel ihre große Klasse in der Auftürmung impressionistischer Mixturklänge und in schnellen Oktavläufen. Jörge Becker beweist, dass er kraft seiner Virtuosität und seiner butterweichen strahlenden Töne zur Riege deutscher Spitzentrompeter gehört.

Der begnadete Erzähler und Moderator Christoph Plum entführt die Zuhörerinnen und Zuhörer ins Paris des frühen 20. Jahrhunderts. Wie in einem Kaleidoskop von Impressionen beleuchtet er Szenen in den Boulevards und Straßencafés: Picasso unterhält sich mit seinem Dichterfreund Apollinaire, vorbei geht’s am Moulin Rouge hinauf zu Sacré-Cœur und zum „Conservatoire de Paris“. Unterwegs streut Petra Menzel am Klavier „Amelie“ oder Jacques Offenbachs „Cancan“ ein – parallel zur Rezitation im Stile eines Melodrams. Welch schöne Verschmelzung der Künste. Christoph Plum setzt einen Glanzpunkt mit Paris-Liebhaber Ernest Hemingways „Ein Fest fürs Leben“.

Lyrisch warm und weich gestaltet das fein abgestimmte Duo Becker und Menzel die Fantasie Es-Dur von Camille Saint-Saëns, einen Choral mit Variationen. Von Henri Tommasi, der von 1901 bis 1971 lebte und wirkte, folgen drei kleine Skizzen in völlig konträrem Duktus – musikalische Miniaturen – mit dem Titel „Triptique“. Die erste ist mit ihren Taktwechseln technisch knifflig und knackig. „Als ob Kinder Fange spielen“, so Becker. Den fast diabolischen Tanz „Saltarell“ mit Tritoni und chromatischen Linien spielt er mit Spitzdämpfer und erläutert: „Die Musik spiegelt hier den wilden Verkehr in Paris wider.“

Erneut begleitet Christoph Plum das Publikum mit allen Sinnen durch die Seine-Stadt – in die Museen, zu den Impressionisten, während im Hintergrund am Klavier der bekannte „Carmen“-Tango tönt. Man riecht das Parfüm der Damen, der Maler Toulouse Lautrec ist auch dabei, Dada, Jazz, Woody Allen, der Arc de Triomphe wird verpackt, die Concorde stürzt ab … ehe Plum seine zweite Lesung der „Stadt der Liebe“ widmet und „par excellence“ Prousts „Begegnung am See“ rezitiert.

Mit Arthur Honeggers „Intrada“ laden die beiden Musiker ein, durch den „Arc de Triomphe“ zu defilieren, und leiten zugleich das stimmige Finale des Abends ein, denn das majestätische Gepräge der Musik passt zum gigantischen Eiffelturm, dem technischen Wunderwerk und Wahrzeichen der Stadt. Wild und gehetzt spiegelt diese Komposition den Aufbruch in die Moderne und in die technisierte Welt wider. Jörge Becker klettert mit nach oben strebenden melodischen Linien hinauf bis zum hohen C und wird dabei gestützt von Petra Menzels furios donnerndem Flügel mit perlenden Tonketten und eruptiven Klangkaskaden. Grandios! Es gab lange anhaltenden Applaus für die drei Künstler und die anwesende Regisseurin Dorothee Weinmann, die für die Auswahl der Texte verantwortlich zeichnete.