Kirchheim

Profis stehen Flüchtlingen zur Seite

Einwanderung Das Land stellt Geld für eine bessere und individuellere Betreuung von Geflüchteten zur Verfügung. Städte und Gemeinden im Kirchheimer Raum begrüßen das Konzept. Von Bianca Lütz-Holoch

Viele Flüchtlinge stehen in Deutschland plötzlich vor ungeahnten Problemen. Jetzt soll es mehr Hilfe geben. Foto: Jean-Luc Jacqu
Viele Flüchtlinge stehen in Deutschland plötzlich vor ungeahnten Problemen. Jetzt soll es mehr Hilfe geben. Foto: Jean-Luc Jacques

Mietverträge, Schreiben des Stromanbieters, die Kindergarten-Anmeldung oder ganz einfach Mülltrennung - für viele Zugewanderte sind das Bücher mit sieben Sigeln. Mit ihren Fragen und Prob­lemen wenden sich Geflüchtete, die nicht mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, in der Regel an den Sozialen Dienst oder die örtlichen Rathäuser. „Aber wir schaffen es einfach nicht, all die Anfragen zu Ausweisen, Job-Center oder Mieten nebenbei zu bearbeiten“, sagt Helmut Burkhardt, Leiter des Weilheimer Ordnungsamtes. In vielen Fällen versuchen engagierte Ehrenamtliche zu helfen - oft mit geringem Erfolg. „Gefragt ist ein Profi, eine zentrale Stelle, die sich solcher Themen gebündelt annimmt“, so Burkhardt.

Nun ist Unterstützung in Sicht: Das Land Baden-Württemberg hat mit den Kommunen einen Pakt für Integration geschlossen und stellt ihnen Mittel zur Verfügung, damit sie sogenannte Integrationsmanager einstellen können: Das sind ausgebildete Sozialarbeiter, die Flüchtlinge in Anschlussunterbringung individuell beraten und ihnen helfen, sich selbstständig im Land zurechtzufinden.

Die Reaktionen aus den Rathäusern darauf sind positiv: „Es ist gut, dass das Land die Inte­gration fördert und nicht mehr alles an Kommunalverwaltungen und Ehrenamt hängen bleibt“, sagt Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. In die gleiche Kerbe schlägt Dennis Koep, Pressesprecher der Stadt Kirchheim: „Das Land sendet damit ein deutliches Signal, dass Inte­gration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und nicht nur die Kommunen betrifft.“

Bei aller Freude gibt es aber auch einen Wermutstropfen: „Der Pakt ist vorerst auf 24 Monate befristet“, sagt Dennis Koep und gibt zu bedenken: „Integration ist ein kontinuierlicher, langfristiger Prozess, deshalb würden wir eine Fortsetzung über 2018 hinaus begrüßen.“

Dass sie Integrationsmanager einstellen möchten, haben bereits alle Kommunen aus dem Kirchheimer Raum signalisiert. Allerdings bekommt nicht jede eine ganze Kraft zugesprochen. „Das Förderprogramm orientiert sich an der Zahl der Personen, die in einem Ort in Anschlussunterbringung leben“, sagt Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamts in Esslingen. Das Amt koordiniert den Pakt für Integration im Kreis.

Während die Stadt Weilheim mit ihren rund 140 Personen in Anschlussunterbringung damit rechnet, eine ganze Stelle zu bekommen, haben sich Holzmaden, Neidlingen, Bissingen, Ohmden, Lenningen, Dettingen, Owen und Notzingen zusammengeschlossen. Koordinatorin für die Antragsgemeinschaft ist die Stadt Owen. „Zwei Stellen werden voraussichtlich für die acht Gemeinden gefördert“, sagt die Owener Hauptamtsleiterin Manuela Unzeitig.

Sowohl die Stadt Weilheim als auch die Kommunengemeinschaft wissen schon, wen sie gern als Integrationsmanager hätten. „Wir werden die Aufgabe an einen freien Träger - die AWO - übertragen“, sagt Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. „Eine geeignete Mitarbeiterin ist in Weilheim gut vernetzt.“ Holzmaden, Neidlingen, Bissingen, Ohmden, Lenningen, Dettingen, Owen und Notzingen haben ebenfalls konkrete Pläne: Sie möchten erfahrene Mitarbeiter der Bruderhaus-Diakonie einstellen.

Etwas anders sieht es in der Teckstadt aus. „380 Menschen mit Fluchthintergrund leben aktuell in Kirchheim in Anschlussunterbringung - einschließlich Familiennachzug“, sagt Dennis Koep. Zwei Stellen hat die Stadt schon geschaffen, um dem Betreuungsbedarf gerecht zu werden. Derzeit werden dafür Gelder des Landkreises und städtische Mittel verwendet. „Ab 2018 sollen dann alle Stellen in dem Bereich über die Landesgelder für Integrationsmanagement finanziert werden“, so Koep.

Eine dieser Stellen hat die Sozialarbeiterin Silke Seibold inne. „Ich werde mit allem konfrontiert, was das Leben hergibt“, berichtet sie. Mal geht es ums Thema Alphabetisierung, mal um Mieterhöhungen oder den Vertrag mit dem Stromanbieter. „Selbst wenn die Menschen schon gut deutsch sprechen, haben sie oft Probleme mit Schriftstücken, Verträgen und Behördendeutsch“, weiß Silke Seibold. Unterstützungsbedarf gibt es aber auch bei Alltagsdingen: „Wer aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine Wohnung zieht, muss beispielsweise lernen, wie die Mülltrennung funktioniert und wie man im Winter richtig heizt und lüftet“, nennt sie Beispiele.

Der Pakt für Integration in Baden-Württemberg

Das Land Baden-Württemberg und die kommunalen Spitzenverbände haben sich auf einen „Pakt für Integration“ geeinigt.

Kernstück des Pakts ist das Integrationsmanagement. Mit 116 Millionen Euro möchte das Land 1 000 Integrationsmanager-Stellen finanzieren. Nach den bisherigen Plänen ist die Förderung auf zwei Jahre begrenzt.

Die Kommunen sollen so die Möglichkeit haben, einzelfallbezogene Integrationsarbeit vor Ort selbst zu organisieren. Sie können sich auch zusammenschließen und gemeinsame Stellen schaffen oder die Aufgabe an freie Träger übertragen.

Zielgruppe des Projekts sind Geflüchtete in Anschlussunterbringung, insbesondere Personen mit Bleibeperspektive. Die Integrationsmanager sollen sie individuell betreuen und auf ihre Selbstständigkeit und Integration in die Gesellschaft hinarbeiten.

Nicht zu verwechseln sind die Integrationsmanager mit den Flüchtlingskoordinatoren, die viele Gemeinden bereits eingestellt haben. Letztere koordinieren vor allem das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingsarbeit. bil