Kirchheim. Chronische Schizophrenie – so stuft der psychiatrische Sachverständige vor dem Stuttgarter Landgericht den Zustand der 65-jährigen Kirchheimerin ein, die am 12. Februar dieses Jahres ihre Wohnung angezündet hat und zudem rabiat gegen Nachbarn geworden war.
An diesem vorletzten Verhandlungstag vor der 7. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts haben es die Richter, die Staatsanwältin und auch die Verteidigerin nicht leicht, der Verhandlung zu folgen. „Was ist mit Ihnen los?“, ruft der Vorsitzende Richter in Richtung Anklagebank. Die Beschuldigte unterbricht jede Phase des Prozesses lautstark und korrigiert sogar die rechtlichen Ausführungen des Gerichtsvorsitzenden. Erst als dieser den Hinweis gibt, sie für den Rest der Verhandlung auszuschließen, bleibt die Frau etwas ruhiger.
Die Brandstiftung vom 12. Februar in der Kirchheimer Wohnung, die Beleidigungen gegen Kirchheimer Polizeibeamte und gegen Bedienstete der Stadt, das Anspucken eines städtischen Mitarbeiters sowie das Werfen mit faustgroßen Steinen gegen einen Wohnungsnachbar – all dies verübte die Angeklagte im Zustand eines sogenannten wahnhaften Erlebens, einer „chronischen Schizophrenie“. Das Anzünden ihres Duschkopfes im Badezimmer habe sie, so zitiert der Gutachter aus den Besprechungen mit der Frau, als Test getan. Was für ein Test? Das habe sie nicht gesagt.
In der Exploration habe die Frau aber noch zahlreiche andere krankheitsrelevante Dinge von sich gegeben, sagt der psychiatrische Gutachter, dem die Angeklagte wortreich und unter ständigen Unterbrechungen sogar den Doktortitel anzweifelt. Sie vermute, dass es eine Internet-App gibt, mit der man ihre Gedanken lesen kann. Sie habe festgestellt, dass sie aus einem biblischen Adelsgeschlecht komme und von König David abstamme. Man habe ihr außerdem ein extraterrestrisches Implantat unter die Haut gepflanzt, und der ehemalige DDR-Geheimdienst Stasi verfolge sie permanent.
In der Gesamtwürdigung stellt der Sachverständige fest, dass die der schweren Brandstiftung, versuchten Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung beschuldigte 65-Jährige infolge der seit vielen Jahren vorhandenen schweren psychischen Krankheit zu den jeweiligen Tatzeiten „schuldunfähig“ war. Ihre Steuerungsfähigkeit sei jeweils aufgrund dieses Defekts komplett aufgehoben gewesen, sodass sie das Unrechte ihrer Taten nicht habe einsehen können.
Gerade deshalb stelle die Dame jedoch eine große Gefahr für die Allgemeinheit dar, falls sie frei kommt. Zumal sie auch keine Krankheitseinsicht hat und ständig ihre „Unschuld“ beteuert. Daher lautet die Empfehlung des Gutachters – unter lautem Protest der Angeklagten – die Unterbringung in eine geschlossene psychiatrische Klinik, in der sich die Frau sowieso zurzeit bereits befindet.
Den Hinweis nimmt die Staatsanwältin auf und beantragt, das Gericht möge diese Maßnahme anwenden. Besonders die Vorwürfe der Beleidigung und versuchten Körperverletzung bezieht die Anklägerin als ein besonderes öffentliches Interesse bei der Verfolgung dieser Taten ein. Ein Antrag, den die Staatsanwaltschaft bereits am ersten Verhandlungstag am 12. September gestellt hatte. Das Urteil will die Strafkammer am Donnerstag verkünden. Bernd Winckler