Kirchheim

Rätsel um den Rettungsgang ist rasch gelöst

Vortrag Im Kirchheimer Spitalkeller hat Rainer Laskowski seinen archäologischen Rückblick auf die Jahre 2017 und 2018 vorgestellt. Von Andreas Volz

Ritter des späten Mittelalters, Ofenkacheln der Renaissance: Fundstücke erzählen Geschichten und beflügeln die Fantasie. Rainer Laskowski hat in seinem archäologischen Jahresrückblick Spektakuläres zu berichten, aber es geht ihm nicht um die Sensation als solche.

Bestes Beispiel: ein Graben, der unter dem abgerissenen Gebäude an der Ecke Alleenstraße / Schüle­straße zum Vorschein kam. Wollte sich da jemand ein „Hintertürchen“ offenlassen, um im Belagerungsfall aus dem Schloss entkommen zu können? Handelt es sich um einen Geheimgang, der Herzog Karl Eugen während seiner Jagdaufenthalte in Kirchheim auch das Jagen nach Schürzen erleichterte?

Weit gefehlt: Weder geht es um dunkle Geheimnisse noch reicht der Gang weit zurück in die Geschichte. Rainer Laskowski klärt auf: „An der Decke waren moderne Verschalungen. Es handelt sich um einen Verbindungsgang zum Nachbargebäude. Im Zweiten Weltkrieg wurden in Kirchheim viele solcher Gänge eingerichtet.“ Im Fall eines Bombenangriffs hätten sich die Bewohner durch diese Gänge in das Nachbarhaus flüchten können, wenn über ihnen das Inferno geherrscht hätte.

Zum Neubau, der an dieser Stelle vorgesehen ist, nimmt Kirchheims ehrenamtlicher Chef-Archäologe nicht explizit Stellung. Aber er dürfte darüber nicht anders denken als über viele weitere Bauvorhaben: Er spricht von „seelenlosen Neubauten, die man überall finden könnte“.

Beispiel „Lauterterrassen“ am Krone-Kreisel: „Da entstehen fünf Betonklötze, über die man diskutieren könnte.“ Da sein Thema beim Vortrag im Spitalkeller aber die Archäologie ist, geht er lieber in die Tiefe - und mitten hinein in die Renaissance, in die Zeit also, in der Kirchheim zur württembergischen Landesfestung ausgebaut wurde: „Beim Mühlkanal gleich an der Alleenstraße wurden Reste einer Holzmauer gefunden. Das Holz stammt aus der Zeit um 1528.“ Entweder handle es sich um einen Vorgängerbau des späteren Kanals, oder aber der Kanal sei tatsächlich Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden, als Kirchheim durch den Festungsbau ab 1540 einen erstaunlichen Bauboom erlebt hat.

Aus der Zeit um 1500 stammen Ofenkacheln, die an derselben Stelle aufgetaucht sind. Eine dieser Kacheln zeigt einen habsburgisch-kaiserlichen Doppeladler, der ab 1534 nicht mehr ganz so hoch im Kurs stand. Auf einer anderen Kachel sind Trauben abgebildet. Für Rainer Laskowski ist das „ein Hinweis auf den Weinbau, der in Kirchheim früher einmal weit verbreitet war“. Noch weiter zurück reichen Schieferplatten zwischen Lauter und Alleenstraße, die sich als Tonaufbereitungsgrube erwiesen haben: „Seit dem 13. oder 14. Jahrhundert war Kirchheim ein Zentrum für Töpfer und Töpfereiprodukte. Wir wissen allerdings noch nicht genau, wo damals die Brennöfen waren - aber vermutlich im Süden und Osten.“ Wären sie im Westen gewesen, hätte der Wind Feuer und Rauch direkt in die Stadt geblasen.

Auf dem einstigen EZA-Gelände fanden sich Urnengräber, die rund 2700 Jahre alt sind: „Die liegen bis zu zehn Meter auseinander, und das ist sehr selten. Es gab keine Körperbestattungen mehr. Aber trotzdem meinte man noch, es braucht einen Grabhügel.“

Münze als späte „Grabbeigabe“

Auch von einem Grab in einer Kirche kann Rainer Laskowski berichten: vom Grab mit dem „Hörnerhelm“ aus der Owener Marienkirche. Anhand der Wappen lässt es sich Ulrich Swelher von Wielandstein zuordnen, der mit einer Anna von Hochschlitz verheiratet war. Der Dienstmann der Herzöge von Teck ist Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich nachgewiesen, letztmals 1367. Sein Grab muss längere Zeit zugänglich gewesen sein. Gut 400 Jahre nach seinem Tod gab es noch Ritze im Kirchenboden, unter dem die Grabplatte lag: Auf einem Wappen fand sich eine Münze aus dem Jahr 1799. Auch hier lassen sich Geschichten ausmalen, wer die Münze wohl in der Kirche verloren hat, sodass sie nicht mehr in den Opferstock kam.