Kirchheim
Rambouillet versinkt in tiefer Traurigkeit

Messerangriff Gestern gab es in Kirchheims Partnerstadt eine Gedenkveranstaltung für die getötete Polizistin.

Rambouillet. Kirchheims Partnerstadt Rambouillet hat gestern Abschied genommen von der 49-jährigen Polizistin, die am Freitag im Dienst erstochen worden war. Alle Rambollitains waren aufgerufen, an der Trauerfeier vor dem Rathaus teilzunehmen und sich in Kondolenzlisten einzutragen.

Die Ereignisse vom Freitag bewegen die ganze Stadt: Der 36-jährige Jamel G., der 2009 von Tunesien nach Frankreich gekommen war und bislang unauffällig und unbescholten dort gelebt hatte, war auf der Polizeiwache erschienen und hatte die Verwaltungsangestellte, die am Empfang ihren Dienst tat, mit zwei Messersti­chen getötet. Der Angreifer selbst starb ebenfalls: Er erlag seinen Verletzungen, nachdem ihn Kollegen der Getöteten angeschossen hatten.

Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen islamistischen Terrorakt handelte, wie die französische Internet-Zeitung „Linternaute“ berichtet. Eine Terrororganisation hat sich bislang noch nicht zu dem Anschlag bekannt. Die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat den Fall aber bereits übernommen. Der Täter soll sich vor etwas mehr als einem Jahr radikalisiert haben. Er habe an „Verhaltensstörungen“ gelitten, die nicht behandelt worden seien.

Gemeldet war der Mann offenbar in Thiais, unmittelbar nördlich des Flughafens Paris-Orly und etwa 30 Kilometer Luftlinie östlich von Rambouillet. In Kirchheims Partnerstadt lebt aber die Familie des Attentäters, aus deren Umfeld die Polizei mehrere Personen befragte - den Vater und zwei Cousins besonders intensiv.

Das Opfer hinterlässt zwei Töchter, im Alter von 13 und 18 Jahren. Die Frau, deren Namen Präsident Emmanuel Macron mit „Stéphanie“ angibt, hat 28 Jahre lang in der Polizeistation gearbeitet. Von Kollegen wird sie beschrieben als „sehr diskret, immer lächelnd - und bereit, jedem zu helfen“. Ihrer Schwester Chris­telle zufolge „gab sie sich mit Leib und Seele ihrer Arbeit hin, und sie tat es mit Freude“.

Rambouillets Bürgermeisterin Véronique Matillon hat die gestrige Trauerfeier gemeinsam mit der Unterpräfektin des Bezirks Rambouillet, Hélène Geronimi, und Senatspräsident Gérard Larcher, dem langjährigen Maire Rambouillets, geleitet. Dem Internet-Bericht zufolge sprach sie von einem nüchternen Moment der Besinnung und der Erinnerung an die Getötete, „um unsere Unterstützung für ihre Familie, ihre Kollegen und die Polizei zu zeigen“.

Mit ähnlichen Worten wird auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zitiert: Die ganze Nation stehe an der Seite der Familie sowie der Polizei und werde den Kampf gegen den Terrorismus nicht aufgeben. Premierminister Jean Castex nennt das Terror-Opfer eine „Heldin des Alltags“. Die Republik habe sie nun durch eine „barbarische und unendlich feige Tat“ verloren. Der frühere Präsident François Hollande hat mitgeteilt: „Wenn diejenigen, die uns beschützen, ins Visier genommen werden, ist es die ganze Nation, die angegriffen wird.“

Von Trauer, Bestürzung und Fassungslosigkeit sind die Reaktionen geprägt, die Klaus Winkler, der Vorsitzende des Kirchheimer Partnerschaftsausschusses, aus Rambouillet erhalten hat. Seine „Kollegen“, die in Rambouillet im Komitee des „Jumelage“-Programms mit Kirchheim sitzen, hatte er der Anteilnahme aller Kirchheimer Freunde versichert.

Yves Briolant schreibt: „Wir sind alle entsetzt über diese Tat.“ Er stellt sich Fragen, die sich nicht wirklich beantworten lassen: „Warum ist das hier bei uns passiert? Gab es einen Grund, sich für einen Anschlag ausgerechnet in Rambouillet zu entscheiden?“

Simone Loiseau stellt sich ganz ähnliche Fragen: „Rambouillet ist eine friedliche Stadt, warum dort? Können wir eine rationale Erklärung für eine solche Tat finden?“ Persönlich empfindet sie „eine tiefe Traurigkeit für die Familie und für diese beiden jungen Mädchen, die nun ihrer Mutter beraubt wurden“. Angst mache sich schon seit einigen Jahren breit. Aber Simone Loiseau will sich nicht von Ängs­ten unterkriegen lassen: „Wir können nicht in ständiger Angst leben. Das Leben ist voll von Risiken - Angst vor Covid, Angst vor Anschlägen ...“

Schock, Wut und Empörung

Auch Lydie Grall will sich dem Terror nicht beugen: „Ich spüre eine starke Wut und Empörung in mir, aber wir müssen weiter gemeinsam vorwärtsgehen.“ Sie ist immer noch schockiert - „schockiert über eine so furchtbare Tat in unserer schönen Stadt Rambouillet“. Wie viele andere, hat auch sie sich gestern auf den Weg zum Rathaus gemacht, um ihren Namen in das Kondolenzbuch zu schreiben - vielleicht unter folgenden Satz, den sie nach Kirchheim geschickt hat: „Mein Herz ist sehr traurig.“ Andreas Volz