Kirchheim

Scheufelen stellt erneut Insolvenzantrag

Wirtschaft 100 Mitarbeiter müssen aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage des Lenninger Unternehmens um ihren Job fürchten. Nach wie vor fehlen Großabnehmer, die auf Graspapier setzen. Von Anke Kirsammer

Nur gut ein halbes Jahr nach dem Neustart mit Graspapier sieht es für Scheufelen düster aus.Foto: Jean-Luc Jacques
Nur gut ein halbes Jahr nach dem Neustart mit Graspapier sieht es für Scheufelen düster aus.Foto: Jean-Luc Jacques

Die Belegschaft von Scheufelen muss erneut eine Hiobsbotschaft verkraften: Das Unternehmen hat gestern einen Insolvenzantrag gestellt. „Wir haben trotz deutlich weniger Personal massive Fixkosten“, so erklärt der Geschäftsführer Stefan Radlmayr die wiederholte Schieflage des Lenninger Unternehmens. Der Absatz von Graspapier sei deutlich langsamer gewachsen als erwartet. Derzeit produzieren die 100 Mitarbeiter im Monat 500 bis 1 000 Tonnen. Um wirtschaftlich zu sein, wäre mindestens die dreifache Menge notwendig. Aufgrund des geringen Verkaufs mussten die Investoren monatlich eine höhere sechsstellige Summe zuschießen. „Daran sind wir gescheitert“, sagt Stefan Radlmayr. Nun wird sich ein Insolvenzverwalter um die Fortführung des Unternehmens kümmern. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind bis 1. Mai gesichert.

Zu den großen Abnehmern der Scheufelen GmbH gehören gemäß dem Beiratsvorsitzenden Dr. Ulrich Scheufelen Rewe und Norma. Gefertigt werden für sie Schalen für Obst und Gemüse beziehungsweise Tüten aus Graspapier. Doch insgesamt verhält sich der Markt dem innovativen Produkt gegenüber offenbar nach wie vor zurückhaltend.

Wie Stefan Radlmayr betont, wäre Scheufelen in der Lage, große Mengen an Verpackungen aus Graspapier herzustellen. Es fehle aber ein Ankerkunde, also ein Großabnehmer, der auf das ökologische Produkt setzt. Der Geschäftsführer vermisst Kunden, die sich der innovativen Idee verschreiben. Es werde eher abgewartet, ob der Produzent durchhält. „Dass wir hier Pionier sind, hat uns das Leben nicht erleichtert.“ Der Belegschaft sei nichts vorzuwerfen. Sie habe mitgekämpft.

Unterstützung gab es auch von politischer Seite: Der Neustart von Scheufelen mit Graspapier im Juli vergangenen Jahres war möglich, weil sich die Landesregierung für das Unternehmen eingesetzt und Investoren an Land gezogen hatte.

„Wir testen auf allen Ebenen“, so Stefan Radlmayr. Er ist davon überzeugt, dass Scheufelen ein sehr erfolgreiches Produkt anbietet. So hätten sich die Mitarbeiter beispielsweise nicht träumen lassen, dass Graspapier tiefdruckfähig ist oder mit einer Fett- und Wasserbarriere ausgestattet werden kann. Doch laut Dr. Ulrich Scheufelen haben genau diese, im Lebensmittelbereich notwendigen, zeitaufwendigen Tests den Absatz verzögert. Der 75-Jährige räumt ein, vielleicht zu euphorisch gewesen zu sein. Dennoch bleibt er optimistisch: „Ich glaube nicht, dass die Lichter ausgehen.“ Technologisch habe Scheufelen die Nase vorn. Der Beiratsvorsitzende setzt nach wie vor auf die Verpackungswende mit dem Zurückdrängen von Plastik. „Es gibt die Hoffnung, dass wir auch in Zukunft Interessenten haben.“

Um den Standort zu nutzen, hofft Radlmayr indes, dass die Landesregierung an der Ansiedlung eines Zentrums für Bioökonomie und eines „Technikums Laubholz“ auf dem Scheufelen-Areal festhält. Dort soll die Forschung gebündelt werden, um hochwertige Produkte aus Laubholz zu entwickeln.

Die Geschichte der Papierfabrik Scheufelen

1855 wurde die Papierfabrik Scheufelen in Oberlenningen gegründet. Damals übernahm der Lehrer Karl Scheufelen, der Urgroßvater von Dr. Ulrich Scheufelen, eine bereits seit 1769 existierende Papiermühle. Das Unternehmen stellte als erste Papierfabrik maschinell zweiseitig gestrichenes Papier her.

1928 hatte Scheufelen erstmals mehr als 1 000 Mitarbeiter, 1955 etwa 2 000.

Bereits 2008 musste die Papierfabrik Scheufelen Insolvenz anmelden. Zuvor waren mehrere Hundert Arbeitsplätze abgebaut worden.

2014 wurde eine Papiermaschine stillgelegt.

Anfang 2018 meldete das Unternehmen erneut Insolvenz an. Im Juli folgte ein Neustart mit Graspapier.ank.