Kirchheim

Schiller mal anders

Schauspiel Das Landestheater Dinkelsbühl macht in der Stadthalle eine Entdeckungsreise durch Schillers Werke. Die Aufführung parodiert die Erinnerungen an den Deutschunterricht. Von Ulrich Staehle

Mit viel Spielfreude schlüpfen die Schauspieler in unzählige Rollen. Foto: Hans von Draminski
Mit viel Spielfreude schlüpfen die Schauspieler in unzählige Rollen. Foto: Hans von Draminski

Das Landestheater Dinkelsbühl zeigt in der Stadthalle „Schillers sämtliche Werke. . .leicht gekürzt“. Nun ja, dass diese Ankündigung nicht wörtlich genommen werden darf, versteht sich von selbst. Wollte man Schillers Werke nacheinander aufführen, so müsste man etwa 120 Stunden veranschlagen, so rechnete der Dramaturg vom Dinkelsbühler Theater bei seiner Einführung vor: Der preisgekrönte Kabarettist mit Schauspielerfahrung Michael Ehnert hat Ideen von Shakespeare-Zusammenfassungen aufgegriffen und zu Schillers 250. Geburtstag 2009 umgesetzt, um den ganzen Schiller zu packen.

Er lässt vier Schauspieler auftreten, die auf Entdeckungsreise in Schillers Werk gehen. Sie haben ein unterschiedliches Verhältnis zu Schiller. Das kommt in den Kurzszenen mit den eingeschobenen Kommentaren immer wieder zum Ausdruck. Die Dinkelsbühler setzen statt dem vierten Mann eine Frau ein. Ziel der Aufführung sei, so der Dramaturg, dass dem Publikum wieder Appetit auf Schiller gemacht wird, nachdem es in der Schule so unter ihm gelitten habe.

Nun geht's los

Nun geht‘s los auf der Bühne der Stadthalle. Die Spielfiguren treten vor einer kleinen Theaterkulisse mit rotem Vorhang und vier aufklappbaren Fensterläden auf, die dem Vernehmen nach der Uraufführungskulisse der „Räuber“ nachgebildet ist, und begeben sich wortreich auf die Suche nach Schiller. Sie kommen bei den „Räubern“, dem „Fiesco“, „Kabale und Liebe“ „Tell“ und „Don Carlos“ vorbei. Nach der Pause gibt es „Wallenstein“, „Maria Stuart“, „die Jungfrau von Orleans“ und die „Braut von Messina“ zu sehen.

Die Kostproben aus den Stücken werden mit vielen Zutaten gewürzt: Der Konkurrent Goethe kommt nicht gut weg. Immer wieder wird mit dem Schauspieler Bruno Ganz telefoniert. Ganz ist Träger des Ifflandringes. Iffland spielte den Franz Moor bei der Uraufführung der Räuber. Er stiftete einen Ring mit seinem Bildnis, den er am Ende seiner Tage einem Schauspieler seiner Wahl vermachte. Dieser Ring wird bis heute weitervererbt und aktuell von Bruno Ganz getragen. Es wird also unglaublich viel Stoff verarbeitet, so auch die Vereinnahmung Schillers durch die Nazis als patriotischer Nationaldichter und die Parallelen zu modernen Filmen mit einem Schiller‘schen Vater-Sohn-Konflikt wie bei Coppolas „Pate“.

Textsicherheit ist ein Muss

Diese Stofffülle abzuarbeiten, erfordert ein hohes Tempo. Die vier jungen Schauspieler aus Dinkelsbühl legen es vor. Mit viel Spielfreude und einer artistischen Körperbeherrschung schlüpfen sie in unzählige Rollen. Damit das Ganze zusammenhält, ist bei den knalligen Dialogen Textsicherheit angesagt. Untermalt wird die Sprache durch der Stimmung angepasste Musikeinspielungen, meist aus Opern. Regisseur Jürg Schlachter füttert die Spieler mit witzigen Ideen, wie bei dem Spiel mit den Fensterläden. Und wenn eine Frau einen Mann oder ein Mann eine Frau spielt, ist das sowieso immer lustig.

Der Genuss des Publikums, der in nachhaltigem Beifall zum Ausdruck kam, wurde allerdings getrübt durch die Bedingungen der Spielstätte Stadthalle, die immer wieder zu beklagen sind. Das Scheinwerferequipment ist mangelhaft, und vor allem vor der Pause führen technische Mängel trotz Kopf-Mikros dazu, dass ganze Textpassagen verloren gehen.

Vergnügen machte der Theaterabend. Etwas weniger hätte das Vergnügen aber noch gesteigert. Einigen Szenen hätte eine Kürzung gut getan, wie bei den Pappenheimern, der Hitler-Szene oder der Farce um Schillers Schädel.

Haben „Schillers sämtliche Werke“ wie gewünscht Appetit gemacht, ihn wieder aus dem Bücherschrank zu holen? Hoffentlich. Vorgeführt wurden Parodien - wie sollte es anders sein bei einem Kabarettisten als Autor. Doch über eine Parodie kann man nur lachen, wenn man Bescheid weiß über das, was parodiert wird. So sind die so leidvollen Schiller-Erfahrungen aus der Schule doch noch ganz wertvoll.