Kirchheim

Schluss mit der Panscherei

Im Mittelalter wurde mit Bier viel Schindluder getrieben. Da Braugetreide oftmals nicht zur Verfügung stand, und um die Kosten gering zu halten, wurde das Getränk mit teils abenteuerlichen Zutaten gewürzt. Mitunter wurden auch giftige Kräuter beigemischt. Das am 23. April 1516 in Ingolstadt erlassene Reinheitsgebot setzte dem ein Ende, wie die Esslinger Biersommelière Irina Zimmermann berichtet.

Frau Zimmermann, woraus bestand Bier vor dem Reinheitsgebot?

Angesichts der hygienischen Bedingungen und einer offenen Gärung ist das Bier sicher schnell sauer geworden?

ZIMMERMANN: Durch die offene Gärung gelangte natürlich alles Mögliche in die Flüssigkeit, und bei warmer Witterung wurde das Bier rasch sauer. Hopfen, der nicht nur beruhigend, sondern auch desinfizierend und konservierend wirkt, wurde vor dem Reinheitsgebot nur gelegentlich verwendet. Der Ausschank von miserablem Bier dürfte damit zum Alltag gehört haben. Um den Geschmack zu verändern oder den Gestank zu unterdrücken, wurde allerhand untergemischt. Pech, Ochsengalle, Schlangenkraut Kreide, Ruß – jeder hatte sein eigenes Patenrezept. Um eine berauschende Wirkung zu erzielen, wurden psychoaktive Gewächse, wie beispielsweise Tollkirschen, Bilsenkraut oder Schlafmohn, in den Sud geworfen.

Welche Ziele verfolgte vor diesem Hintergrund das Reinheitsgebot?

ZIMMERMANN: Mit ihm sollte die Zugabe berauschender Zutaten unterbunden werden. Das damals gebraute Bier war zwar der Gesundheit nicht zuträglich, aber dieser Aspekt stand im Erlass von 1516 nicht im Vordergrund. Im Wesentlichen ging es auch darum, die unter anderem schlechte Qualität, die häufig beklagt wurde, nachhaltig zu verbessern.

Standen auch Wettbewerbsfragen und der Schutz des Brotgetreides im Fokus?

ZIMMERMANN: Vor 500 Jahren wollten die Landesherren vor allem Weizen und Roggen als Brotgetreide schützen, um Hungersnöte zu verhindern. Das Brauen mit Weizen war ein Privileg, für das teure Genehmigungen eingeholt werden mussten. 1516 ging es aber auch schon um Wettbewerbsfragen. In anderen Landstrichen kamen Grut-Kräuter beim Bierbrauen zum Einsatz, die in Bayern nicht wuchsen. Durch die Festlegung der Braurohstoffe auf Gerste, Hopfen und Wasser verschaffte das Reinheitsgebot den bayerischen Brauern Wettbewerbsvorteile. Die Hefe fand keine Erwähnung, weil ihre Wirkung bei der alkoholischen Gärung unbekannt war.