Kirchheim

Schwäbische Dialektik in schwäbischem Dialekt

Theater Die WLB Esslingen gastierte mit dem Stück „Der Sheriff von Linsenbach“ in der Stadthalle Kirchheim.

Die WLB Esslingen gastierte mit dem Stück „Der Sheriff von Linsenbach“ in der Stadthalle Kirchheim. Foto: wlb
Die WLB Esslingen gastierte mit dem Stück „Der Sheriff von Linsenbach“ in der Stadthalle Kirchheim. Foto: wlb

Kirchheim. Tatsächlich: Die Schauspieler auf der Bühne der Stadthalle sprechen schwäbisch, wo sonst nur gepflegtes Bühnenhochdeutsch zu hören ist. Schwäbisch lebt vor allem auf speziellen Mundartbühnen oder auf Laienbühnen. Und wenn schwäbisch gesprochen wird, dann muss es etwas zu lachen geben.

Der Intendant der Württembergischen Landesbühne (WLB) Friedrich Schirmer, der nach seinen Stationen Freiburg, Stuttgart und Hamburg nach Esslingen zurückgekehrt ist, hat das Versprechen wahr gemacht, das er dem 2011 verstorbenen Drehbuchautoren Oliver Storz gegeben hat: Er wird die verfilmte Komödie auf die Bühne bringen: „Der Sheriff von Linsenbach“. Mittlerweile ist dieses Stück ein Renner, eine „schwäbische Komödie“ zwar, doch ambitioniert. Anders als in der Kultserie „Hannes und der Bürgermeister“, in der Klischees plattgedrückt werden und schauspielerische Einöde herrscht, wird hier das Schwäbische aus der Sichtweise von Thaddäus Trolls „Deutschland deine Schwaben“ betrachtet. Dieser diagnostizierte, dass ein Schwabe in der gleichen Person dialektische Widersprüche in sich vereinen könne.

So ist es auch mit der Hauptfigur Hermann Zettler, einem Frühpensionär mit Gehbehinderung. Er ist als „verhockter Schwob“ von einem gnadenlosen Ordnungssinn besessen und drangsaliert damit Mutter und Tochter. Der Ordnungssinn kann sich überraschend austoben, weil er als Parkplatzwächter mit Dienstmütze auf dem Marktplatz der Kleinstadt Linsenbach überwachen darf. Andererseits weckt sein Nachbar, ein hochdeutsch sprechender Herr mit Doktortitel, in ihm den Wunsch, die große weite Welt kennenzulernen. Allerdings aus eigennützigen Gründen. Er will Zettlers Häuschen kaufen, abreißen und den Garten umgestalten.

Komödiengemäßes Happy End

Zettlers Ordnungsdienst bekommt demonstrativ Beifall, als er sogar einen Regierungswagen wegen falschen Parkens anzeigt. Die Stimmung schlägt aber um, als er bei kleinsten Kleinigkeiten Anzeigen erstattet, auch bei Bekannten und selbst bei der Tochter. Es bricht Chaos aus. Seine Familie wird gemobbt. Die Mutter packt die Koffer und geht. Nun ist Zeit für ein komödiengemäßes Happy End: Zettlers geliebter Hund kommt im Dienst um, er kommt dadurch zur Besinnung, sieht ein, dass sich in der Welt keine Idealvorstellungen durchsetzen lassen. Er gibt seinen Job auf, die Frau kommt wieder und der Herr Doktor geht.

Anspruchsvoll ist vor allem die Umsetzung auf der Bühne, mit Drehbühne, in der verschiedene Kulissen und Spielräume eingebaut sind, selbst der Balkon des Nachbarn. Da gibt es das Büro des Bürgermeisters, das aber eine  solch niedrige Decke hat, dass der Chef, wenn er sich aufrichtet, den Kopf schief stellen muss: er ist in jeder Hinsicht beengt. Wie ein Karussell wird die Bühne von tüchtigen Helfern immer wieder gedreht und neben Kleinstadtinventar wie Frisör, Bar und einer Boutique gibt es auch den besagten Marktplatz im Puppenhausformat mit dementsprechenden Autos, mit denen die Spieler wie Kinder umgehen und dabei Motorengeräusche produzieren. Die Darstellungsebene ist also von Kreativität und Stilisierung geprägt. Dazu passen auch slapstikhafte, genüsslich ausgespielte Szenen.

Doch es gilt gemäß Thaddäus Troll: „Schwabe ist, wer schwäbisch spricht“. Gelegentliche akustische Schwierigkeiten sind wieder einmal den schlechten Bedingungen in der Stadthalle anzurechnen. Innerhalb des professionellen Ensembles, das in viele Rollen schlüpft, ragt der heraus, dessen Schwäbisch unangestrengt daherkommt und der die Möglichkeiten seiner Rolle schauspielerisch voll ausschöpft: Martin Theuer als Zettler. Er wurde beim intensiven Schlussbeifall auch besonders bedacht. Ulrich Staehle