Kirchheim

Schweinepest im Anmarsch - was nun?

Seuche Mehr als 400 Jäger versammeln sich in der Denkendorfer Festhalle. Sie sind sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die ASP in der Region ankommt. Die Politik habe zu spät gehandelt. Von Ruben Moratz

Gäbe es nur Wildschweine, und keine Menschen, wäre die Afrikanische Schweinepest wohl nie so weit gekommen: Sobald sie infiziert
Gäbe es nur Wildschweine, und keine Menschen, wäre die Afrikanische Schweinepest wohl nie so weit gekommen: Sobald sie infiziert sind, kommen sie nur noch 15 Kilometer weiter. Symbolbild: Karl Stolz

Die Frage lautet nicht mehr ob, sondern wann und wo. Darüber sind sich die meisten Experten einig. Sie wird zu uns kommen, die Afrikanische Schweinepest (kurz: ASP). Die Lage ist ernst, denn die Krankheit birgt enorme Gefahren. Etwa 90 Prozent der infizierten Haus- und Wildschweine sterben binnen zehn Tagen. Das Virus ist zwar nicht auf den Menschen übertragbar, doch drohen Landwirten massive wirtschaftliche Schäden, etwa durch Massensterben und jahrelange Verkaufseinbrüche.

Noch ist die ASP zwar nicht in Baden-Württemberg angekommen, doch schon jetzt sei die Situation bedrohlich, meint Thomas Dietz, Kreisjägermeister der Jägervereinigung Esslingen. Aus diesem Grund lud er gemeinsam mit den Kollegen aus Göppingen, Kirchheim und Nürtingen zu einer Informationsveranstaltung ein. Am Freitagabend kamen dafür mehr als 400 Jäger in die Festhalle Denkendorf - deutlich mehr als erwartet.

Dr. Thomas Stegmanns, Leiter des Veterinäramts Stuttgart und selbst Jäger, beklagte, dass zur ASP viele Falschinformationen kursierten, was er mit einem Überblicksvortrag ändern wollte. Stegmanns klärte darüber auf, dass es keine Impfung für die ASP gibt, was sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern werde. Die Übertragung von Schwein zu Schwein geschehe über Blut, Sperma oder andere Sekrete, auch tote Tiere seien noch monatelang ansteckend. Da sich der Erreger, etwa in herabtropfendem Blut, jahrelang im Boden halte, sei es wichtig, dass Kadaver rasch beseitigt würden.

Allerdings sei dieser Übertragungsweg von Tier zu Tier nicht das dringlichste Problem: Wildschweine bewegen sich realistischerweise ab der Infizierung noch höchstens 15 Kilometer weiter, was eine rasche Ausbreitung unwahrscheinlich macht. Der eigentliche Übeltäter ist der Mensch: Ein weggeworfenes Vesperbrot, das dann wiederum von Wildschweinen gefressen wird, kann die Seuche schnell über Hunderte von Kilometern tragen. Denn das Virus überlebt viele Wochen in verarbeiteten Wurst- und Fleischspeisen.

Nur durch menschlichen Fernverkehr erklärbar

Im Sommer letzten Jahres erreichte die ASP Tschechien, rund 400 Kilometer von den vorher bekannten Fällen in Polen und dem Baltikum entfernt. Das sei nur durch menschlichen Fernverkehr erklärbar, so Stegmanns. Zum Vergleich: Nach Deutschland sind es vom tschechischen Fundort nur noch 325 Kilometer. Wurstbrötchen von Lkw-Fahrern, Erntehelfern oder Touristen aus dem Osten können so zur akuten Gefahr für deutsche Schweine werden. Für den Veterinärmediziner Stegmanns ist die Zusammenarbeit mit den Jägern besonders wichtig. Es handle sich um eine anzeigepflichtige Viruserkrankung: „Bitte melden Sie sich sofort bei uns, wenn Sie etwas Verdächtiges sehen“, schärfte er seinen Zuhörern ein.

Auch die Politik wird jetzt aktiv. Nur wenige Stunden vor der Veranstaltung stellte in Stuttgart Landwirtschaftsminister Peter Hauk einen Zwölf-Punkte-Plan gegen die Seuche vor. In Denkendorf präsentierte Bernhard Panknin, Leiter der Obersten Jagdbehörde im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Maßnahmen. Drei Millionen Euro will das Land in die ASP-Prävention stecken. Oberste Priorität hat dabei die Bejagung des Schwarzwilds, das ohnehin in zu großen Beständen im Land lebe. Die derzeit etwa 50 000 Abschüsse sollen verdoppelt werden. Um das erreichen zu können, wird etwa die Jagdruhe des laufenden Jahres im Februar und März aufgehoben. Ganzjährig soll nun auch gekirrt werden. Das heißt, das Wild wird mit Nahrung angelockt, um es leichter erlegen zu können. Weitere Maßnahmen sind eine vermehrte Drückjagd, der Einsatz von Nachtsichtgeräten, und das Fangen der Tiere mit sogenannten Saufängen. Das Ministerium zieht auch die Jagd in Naturschutzgebieten wieder in Betracht. Schließlich wird ein Krisenstab eingerichtet, und der Informationsaustausch zwischen Jägern, Landwirten und Viehhändlern soll verbessert werden.

Die Jäger in Denkendorf begrüßten die von der Politik benannten Maßnahmen, man sei bei vielem aber sehr spät dran. Bis in den späten Abend wurde kontrovers diskutiert, etwa über den Einsatz von künstlichen Lichtquellen und Nachtsichtgeräten bei der Jagd. Ministerialrat Bernhard Panknin schloss mit einem Appell: „Was wir erreicht haben, war ein politischer Kraftakt. Nun sind Sie, die Jäger, dran.“