Kirchheim

Sicherheitshinweis wurde sieben Jahre lang ignoriert

Urteil Geschäftsführer zahlt nach Betriebsunfall Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassung.

Gericht
Symbolbild

Kirchheim. Ein Unternehmer aus dem Raum Kirchheim ist gestern wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassung zu einer Geldstrafe von 45 000 Euro verurteilt worden. Hinzu kommt eine Unternehmensgeldbuße von 100 000 Euro. Richterin Franziska Hermle-Buchele folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft in voller Höhe. Das Verfahren gegen den mitangeklagten Sicherheitsbeauftragten war dagegen eingestellt worden - gegen die Auflage, 5 000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen.

Die Körperverletzung als solche konnte im Kirchheimer Amtsgericht niemand in Abrede stellen: Ein Mitarbeiter war im Herbst 2015 mit der Hand in eine Laborwalzmaschine geraten und hatte dabei zweieinhalb Finger verloren. Erst wenige Tage vor dem Unglück hatte er die Befugnis erhalten, diese Maschine selbständig zu bedienen. Die vier Kollegen hatten bei der Einweisung immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, mit der Hand ins Walzwerk zu geraten.

Für einen Augenblick unachtsam

Der Mitarbeiter, der seinen Ar­beitsplatz trotz der verlorenen Gliedmaßen behalten konnte, räumte selbst ein, dass der Unfall unter anderem auf eigene Unachtsamkeit zurückzuführen sei. Trotzdem hätte er wohl nicht an dieser Maschine gearbeitet, wäre ihm bewusst gewesen, dass die zuständige Berufsgenossenschaft bereits 2008 genau auf diese Gefahr hingewiesen hatte - ohne dass der Betrieb die angemahnten Sicherheitsstandards umgesetzt hat.

Der große Abstand zwischen dem Hinweis der Berufsgenossenschaft und dem Unfall - sieben Jahre - war ein wesentlicher Punkt der Verhandlung. Die einstige Abteilungsleiterin, die noch vor dem Unfall aus dem Unternehmen ausgeschieden war, wurde von Zeugen als „autokratisch“ beschrieben, was sich auch als „beratungsresistent“ interpretieren lässt.

Deshalb war die Maschine auch nicht an die aktuellen Sicherheitsstandards angepasst worden. Der Wechsel in der Abteilungsleitung fiel zeitlich mit einem Wechsel der Zuständigkeit bei der Berufsgenossenschaft zusammen. Weder Betrieb noch BG verfolgten den Fall danach weiter - bis es dann zu jenem Unfall kam.

Der interne Sicherheitsbeauftragte des Unternehmens sei „permanent überfordert“ gewesen, stellte das Gericht fest. Ihm blieb durch seine Haupttätigkeit zu wenig Zeit für die Arbeitssicherheit. Außerdem fehlten ihm sowohl das Budget, um teure Schutzmaßnahmen ohne Rücksprache zu finanzieren, als auch die Weisungsbefugnis, um etwas anordnen geschweige denn umsetzen lassen zu können. Aus Sicht des Gerichts nahm ihn das zwar nicht komplett aus der Verantwortung, aber sein Verfahren ließ sich gegen die Auflage der Geldzahlung einstellen.

Der geschäftsführende Gesellschafter hatte kurz zuvor immerhin erklären lassen, er übernehme die alleinige Verantwortung für die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen und damit für den Unfall. Das rechneten ihm Richterin und Staatsanwältin hoch an: Er habe sich als „guter und anständiger Unternehmer“ erwiesen, weil er sich vor seinen Mitarbeiter stellte.

Die Maschine ist mittlerweile - aber eben erst bedingt durch den Unfall - durch eine neue ersetzt worden, einschließlich sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen nach dem heutigen Stand der Technik. Außerdem gibt es einen externen Sicherheitsbeauftragten, der mit einer viel höheren Stundenzahl ausgestattet ist.Andreas Volz