Landtagswahl
Sie kennen sich gut und streiten fair

Wahlkampf Die erste „Podiumsdiskussion“ zur Landtagswahl hat der Verein „Mehr Demokratie“ veranstaltet, natürlich online. Fünf geladene Kandidaten zeigten viel Übereinstimmung und ein paar Unterschiede. Von Peter Dietrich

Sie kennen sich bereits gut und haben den fairen Umgang eingeübt: Das war bei der zweistündigen Online-Diskussion der Landtagskandidaten Andreas Schwarz (Grüne), Dr. Natalie Pfau-Weller (CDU), Andreas Kenner (SPD), Ralph Kittl (FDP) und Regina Pelzer (ÖDP) über Bürgerbeteiligung zu spüren. Eingeladen hatte der Verein „Mehr Demokratie“. Moderator Edgar Wunder erläuterte die Auswahlkriterien: Eingeladen würden nur Parteien, die die „liberale Demokratie verteidigen, statt sie anzugreifen“. Es werde immer auch eine Partei ausgelost, die derzeit nicht im Landtag sei, diesmal die ÖDP. Jede Woche hat der Verein nun zwei bis drei Diskussionen geplant und will viele Wahlkreise in Baden-Württemberg abdecken.

Andreas Schwarz machte den Anfang und versprach: „Wir wollen Bürgerbeteiligung auf Kreis­ebene ausbauen. Wir wollen Zufallsbürger einführen, jedes wichtige Gesetzesvorhaben mit einer zufälligen Gruppe diskutieren.“ Natalie Pfau-Weller will „Bürgerbegehren ins digitale Zeitalter überführen“. Sie machte klar: „Ich vertrete nicht immer die Position der aktuellen CDU-Fraktion. Ich bin noch nicht im Landtag, ich kann mir das erlauben.“

Andreas Kenner betonte, nach einem Bürgerbegehren sei ein versöhnender Prozess nötig - Weilheim sei bei der Limburghalle bis heute gespalten. Wer sich als Bürger beteilige, müsse dann auch im Ergebnis vorkommen und sehen, das habe sich gelohnt. „Sonst macht er das kein zweites Mal.“ Kenner kritisierte, dass die Grünen im Landtag den entsprechenden FDP-Antrag zur Stärkung von Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene abgelehnt haben: „Das hätten wir abhaken können.“

Man müsse den Leuten zeigen, wie viel man wissen müsse, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, sagte Ralph Kittl. „Wir haben aus gutem Grund eine indirekte Demokratie. Weimar war sehr direkt, wir haben gesehen, wo das hingeführt hat.“ Lokale Themen seien den Bürgern nahe, aber bei größeren Themen sei die Beteiligung schwieriger.

„Direkte Demokratie ist im ÖDP-Landesprogramm verankert“, sagte Regina Pelzer. Sie ging auch darauf ein, wer weniger beteiligt gehöre: „Im Gegensatz zu anderen Parteien nimmt die ÖDP keine Firmenspenden an.“ Regierungsmitglieder sollten keine Ämter in Aufsichtsräten und Vorständen übernehmen dürfen.

Um direkte Bürgerbeteiligung zu erleichtern, wurde 2015 die Landesverfassung geändert. „Das Ausführungsgesetz ist am Ende heruntergefallen“, erläuterte der Moderator. Es entspringe den 1970er-Jahren und sei an mehreren Stellen verbesserungsbedürftig. „Unterschriftsformulare müssen bisher schriftlich an alle Rathäuser gesandt werden, eine PDF-Datei ist nicht erlaubt.“ Nötig sei auch eine Vorprüfung - sonst sammle eine Initiative zuerst 10 000 Unterschriften und erfahre dann „Ätsch, das Begehren ist so gar nicht zulässig.“ Vom Bürger formulierte Gesetzesentwürfe müssten im Lauf der öffentlichen Diskussion noch verändert werden dürfen, so wie Entwürfe im Landtag auch. Der Verein „Mehr Demokratie“ habe einen 15-Punkte-Katalog zusammengestellt: „Das sind Feinheiten mit großen Folgen.“

Auch Andreas Kenner ist für eine Vorprüfung - aber nicht durch diejenigen, die das Volksbegehren nicht wollen. Gegen Spaßabstimmungen sei eine neue, niedrige Hürde nötig.

Unterschiedliche Ansichten gibt es bei der Digitalisierung: Ältere sollten sich, wenn sie etwas erreichen wollen, von Jüngeren bei der Technik helfen lassen, sagte Ralph Kittl. Regina Pelzer will keinen ausschließen: „Wir müssen mehr online erlauben, aber auch Papier.“ Sie ist ebenfalls für eine Vorprüfung und will die Negativliste im Staatshaushaltsgesetz verkleinern: Viele Ausschlüsse für Volksbegehren seien nicht nötig. Vertrauenspersonen eines Begehrens sollten im Landtag im Plenum sprechen dürfen, nicht nur in den Ausschüssen. Bei einem erfolgreichen Begehren seien die Kosten zumindest teilweise zu erstatten.

Auch Natalie Pfau-Weller ist für eine Vorprüfung und will niemand digital abhängen: „Das ist nicht nur eine Frage des Alters.“ Abstimmungen sollten mit Wahlen zusammengelegt werden, dann sei die Beteiligung höher.

Für mehr Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene waren alle außer der CDU. Damit begründete Andreas Schwarz die Ablehnung des genannten FDP-Antrags durch die Grünen im Landtag: Man sei eben in einer Koalition, dort seien Verlässlichkeit und Vertragstreue wichtig.