Kirchheim
Spenden sollen JET Flügel verleihen

Integration Das Projekt hat in fünf Jahren 565 Geflüchteten bei der Integration in den Arbeitsmarkt geholfen. Doch jetzt ist es durch Corona und auslaufende Förderungen unter Druck geraten. Von Thomas Zapp

Was deutsche Bürokratie im Allgemeinen und für Ausländer im Speziellen bedeutet, weiß kaum einer so gut wie Nadia Jalalyousif. Kein Wunder, die gebürtige Irakerin hatte viele Hürden aus eigener Kraft meistern müssen, als sie mit Mann und drei Kindern vor elf Jahren nach Deutschland gekommen war. Aber Nadia hat es mit viel Einsatz und einem starken Willen geschafft. ­Heute ist sie eine von vier festen Mitarbeiterinnen bei JET, der Job-Hilfe für geflüchtete Menschen bei der Chai-Beratungsstelle in Kirchheim. Chai gehört wiederum zum Fachdienst Jugend, Bildung und Migration der Stiftung Bruderhaus-Diakonie. Es gibt dort aktuell vier hauptamtliche Mitarbeiter, aber die können nicht alles stemmen. Acht Ehrenamtliche helfen regelmäßig in der Beratungsstelle, doch wegen der Corona-Krise können von den ehrenamtlichen Helfern mehrere ihre unentgeltliche Hilfe derzeit nicht leisten, weil sie einer Risikogruppe angehören.

Das Problem: Sie sind nicht ohne Weiteres zu ersetzen, weil das Thema Integration auf dem Arbeitsmarkt sehr komplex ist. Zumindest ist eine detaillierte Branchenkenntnis wichtig, welche die bisherigen Ehrenamtlichen allesamt mitbringen. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige Führungskräfte oder Unternehmer, die genau wissen, was gefragt ist. Doch diese Helfer sind rar. „Optimal wäre daher eine weitere feste Stelle“, sagt Theresa Ringwald. Doch die Finanzierung dafür steht in den Sternen.

Ohnehin ist das Kleinprojekt „JET“ von Fördergeldern abhängig. Derzeit wird es über den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den baden-württembergischen Topf für Integrationsmanagement gefördert. Auch von der Aktion Mensch gab es ­Kostenzuschüsse. „Ende 2020 ist eine deutliche Kürzung bei Geldern aus dem ESF zu erwarten“, sagt Renate Hirsch, Teamleiterin von Chai. Die Gelder aus dem Landestopf für Integrationsmanagement laufen Ende 2021 aus. Die Bedingungen werden also schwieriger, der Bedarf dafür größer. Viele JET-Besucher sind derzeit wegen Corona in Kurzarbeit, anderen ist gekündigt worden. „Die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ist deutlich schwieriger geworden“, sagt Renate Hirsch.

Gegründet 2015

Fünf Jahre gibt es das Programm JET nun, Auslöser für seine Gründung war damals die sogenannte „Flüchtlingskrise“ in Deutschland. Im Laufe des Jahres registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge damals 890 000 Menschen. Seitdem ist einiges passiert, auch in der Integrationsarbeit. „Wir haben bis heute 565 Menschen betreut“, sagt JET-Leiterin Theresa Ringwald. Den meis­ten habe man weiterhelfen können, sich beruflich zu orientieren, zu qualifizieren und in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren. Es geht aber auch um geflüchtete Menschen, die in Deutschland unterhalb ihrer Qualifikationen arbeiten, weil ihnen zum Beispiel Belege über Abschlüsse fehlen oder sie Hilfe bei Bewerbungsschreiben und Lebensläufen brauchen.

Die JET-Beratung gibt es seit fünf Jahren. Sie ist momentan wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt.Archivfotos: Carsten R
Die JET-Beratung gibt es seit fünf Jahren. Sie ist momentan wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt. Archivfotos: Carsten Riedl

All das ist in den Räumen des Eckpunkt-Cafés in der Hindenburgstraße in Kirchheim derzeit nicht möglich. Nadia Jalalyousif hat ihre Beratungen soweit wie möglich in die freie Natur verlegt und berät die Hilfesuchenden gerne auch mal im Schloss­park. Die Irakerin ist gerade für Frauen ein Vorbild. Sie war in ihrer Heimat vor allem Mutter und konnte in Deutschland keine Ausbildung nachweisen. Trotzdem hat sie es geschafft, einen Job zu bekommen.

Die Neuankömmlinge stehen häufig nicht nur vor sprachlichen Barrieren, manchmal auch vor für sie ungewöhnlichen Anforderungen der potenziellen Arbeitgeber. „In Deutschland ist es so, dass man auch für Nebenjobs vollständige Lebensläufe haben muss. Das kennen viele nicht“, sagt Theresa Ringwald. Ein wichtiges Merkmal des JET-Angebots ist, dass es „niedrigschwellig“ ist. „Zu uns kann erst mal jeder kommen, wir sind ja keine Behörde.“ Allerdings ist JET auch keine Jobvermittlung, sondern als „Hilfe zur Selbsthilfe“ gedacht. Der Zuspruch der Unternehmen ist gut, auch wenn die häufig ebenso mit der Bürokratie zu kämpfen haben. Daher gibt es viele „Wiederholungstäter“, die wissen, wie es mit der Bürokratie läuft. Unter den Klienten werden es immer mehr Frauen, was Nadia Jalalyousif besonders freut. „Deren Kinder kommen jetzt in die Schule, sie haben Zeit und wollen etwas machen.“ Sie hätten gelernt, dass die aus der Heimat gekannte Rollenverteilung in Deutschland nicht funktioniere. Sie drückt es bildlich aus: „Eine Hand alleine kann nicht klatschen.“ Und wer hier etwas erreichen wolle, könne das auch.

Info: Wer Interesse an einem Ehrenamt hat, meldet sich am besten per Mail bei: theresa.ringwald@fjbm-bruderhausdiakonie.de.