Kirchheim

„Spritzkur“ macht alte Steine wieder jung

Blick hinter den Bauzaun: An der Kirchheimer Martinskirche gehen die Sanierungsarbeiten so lautlos wie effizient weiter

Martinskirche Renovierung SpendenNeues zu Steinmetzarbeiten Martinksirche
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Verjüngung durch Injektionen: Was die Schönheitschirurgie verspricht, funktioniert tatsächlich – zumindest bei alten Steinen wie an der Martinskirche.

Andreas Volz

Kirchheim. Nicht jeder Stein lässt sich „schönspritzen“. Manche Fälle sind hoffnungslos. Derart beschädigte Steine müssen komplett ausgetauscht werden. Aber auch das ist nicht so einfach, wie es klingen mag. Kaputte Steine lassen sich zwar entfernen, aber nicht sofort nahtlos durch neue ersetzen. „Jeder Stein hat seine eigene Kubatur“, stellt Albert Kieferle, Fachplaner für die Steingewerke bei der Martinskirchensanierung, fest. „Man kann die neuen Steine also nicht einfach vom Block runtersägen. Jeder Stein muss einzeln geschnitten werden.“

Genau deshalb können die Restauratoren auch nicht ein paar Paletten neue Steine bestellen. „Erst nach dem Ausbau der alten Steine kann man die neuen in Auftrag geben“, beschreibt Albert Kieferle das Dilemma. Selbst wenn sich Höhe und Breite eines Steins bereits vor dem Ausbau absehen ließen, wäre die Tiefe vorher auf gar keinen Fall bekannt. So kann der Eindruck entstehen, dass die Außensanierung der Kirche ins Stocken geraten ist. Immerhin wird kaum mehr etwas Sicht- oder Hörbares getan: Zwar werden gerade die Steine zugesägt, aber das geschieht fernab, in einer Werkstatt. Hier vor Ort lasse sich in dieser Zeit kein großer Baufortschritt erkennen.

Das heißt aber nicht, dass wochenlang Stillstand herrscht. Im Ge­genteil: „Jetzt läuft ein ganz wichtiger Teil der gesamten Sanierung ab.“ Die weniger stark beschädigten Steine werden repariert. „Wir können beginnende Schäden in den Griff kriegen. In gewissem Umfang schaffen wir es sogar, die Zeit wieder zurückzudrehen.“

Das eben wäre der Traum all derer, die meinen, sich durch Botox-Spritzen verjüngen zu können. Bei den Steinen wird wirklich „gespritzt“: Kieselsäureester entspringen sozusagen direkt dem Jungbrunnen. Beigemischt sind Quarze sowie Steinmehl aus Originalsteinen. „Die Materialien reagieren mit Feuchtigkeit und stellen neue Verbindungen her“, erklärt Albert Kieferle. Risse und Hohlräume werden somit nicht nur „gekittet“. Der alte Stein kann dank der Spritze wieder ein neues Ganzes werden.

Daniel Friedrich – Restaurator, Steinmetz und Bildhauer – sieht seine Aufgabe darin, „alles so zu fixieren, dass es nicht irgendwann wegfällt“. Zu seiner lautlosen Arbeit sagt er: „Das bringt zwar die Nachhaltigkeit, ist aber am wenigsten zu sehen.“ Nicht einmal nach Abschluss seiner Arbeit wird etwas zu sehen sein. Genau das ist ja die Absicht, die dahintersteckt. Zunächst einmal bleibt nach den Injektionen am Stein eine weißliche Schicht zurück. „Die wird aber am Schluss übermalt, sodass es farblich zum Stein passt.“ Da sich das auch noch in luftiger Höhe abspielt, sind die Spuren, die diese Arbeit hinterlässt, noch weniger sichtbar.

Dafür gibt es ganz andere, sehr alte Spuren, von denen Albert Kieferle berichtet: „Bei den Eckquadern am Turm gibt es erhebliche Brandspuren. Ich gehe davon aus, dass sie von 1690 stammen.“ An der Südseite des Turms, zum Kriegerdenkmal hin, sei noch zu bedenken, dass dort bis zur Sanierung in den 60er-Jahren die Beinhauskapelle stand, die lange Zeit als Stadtarchiv gedient hatte. Als große Einheit lässt sich die „Außenhaut“ der Martinskirche ohnehin nicht begreifen. Albert Kieferle spricht von einem „sehr inhomogenen Steinmaterial“. Selbst wenn alles aus demselben Steinbruch stammen sollte, könnten schon drei Meter Unterschied bei der jeweiligen Schicht für ganz andere Steine sorgen.

Was Albert Kieferle noch nicht ausfindig machen konnte, ist ein „Kirchheimer Steinbruch“, aus dem der Stubensandstein der Martinskirche stammt. Nur so viel sei klar: „Die Steine hier stammen mit Sicherheit aus der Region.“ Ob aber von einem und demselben Steinbruch oder von mehreren verschiedenen, darüber kann er sich noch kein Urteil erlauben. Vieles spreche dafür, dass sie „aus der Pliezhäuser / Waldenbucher Ecke stammen“. Grund dafür sind vor allem die einstigen Transportbedingungen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts habe man Steine aus weiter entfernten Regionen verwendet. Die Eisenbahn machte es möglich.

Die „Ersatzsteine“ für die Martinskirche im Jahr 2016 kommen jedenfalls aus Waldenbuch. Albert Kieferle denkt nämlich schon entsprechend weit voraus: „Wir könnten auch Elbsandsteine nehmen. Die sehen ganz ähnlich aus und haben sogar eine höhere Qualität.“ Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den hiesigen Steinen: „Sie patinieren ganz anders.“ In hundert Jahren würde man das deutlich sehen. Und dem Vorwurf der Nachwelt, den falschen Stein verwendet zu haben, möchte sich Albert Kieferle nicht aussetzen.

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