Kirchheim

Stadt will Wirten entgegenkommen

Außenbereiche Die Sondernutzungsgebühr für den öffentlichen Straßenraum steht im „Corona-Jahr“ zumindest teilweise auf der Kippe. Wer genügend Platz hat, darf seine Freiflächen sogar ausdehnen. Von Andreas Volz

Die richtige Konzession und der passende Standort machen es möglich: Wie sein Nachbar im Waldhorn, kann auch Dirk Storm den Bere
Die richtige Konzession und der passende Standort machen es möglich: Wie sein Nachbar im Waldhorn, kann auch Dirk Storm den Bereich seiner Außenbewirtung auf dem Kirchheimer Marktplatz ausdehnen, um die maximale Platzzahl zu erreichen. Foto: Carsten Riedl

Manchmal befasst sich auch die Kommunalpolitik mit Grundsatzfragen: Wenn man für eine Erlaubnis Gebühren verlangt, kann man das Erlaubte dann aus wichtigeren Gründen verbieten, aber die Gebühren trotzdem einziehen? Etwas einfacher und konkreter: Die Stadt Kirchheim lässt sich von Gastronomen Gebühren zahlen - für die Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums. Wenn die Stadt den Gastronomen erlaubt, diese öffentlichen Flächen für ihre privaten Geschäftsinteressen zu nutzen, kann sie dafür Geld verlangen. Normalerweise sind die Summen dafür nicht gerade klein.

Gezahlt wird für eine Saison. Die wiederum ist mit acht Monaten pro Jahr auch zeitlich üppig dimensioniert. Gerade mit Beginn der Freiluftsaison - im März - kam aber im laufenden „Corona-Jahr“ die verordnete Schließung aller Gaststätten. Die Wirte konnten also keinen einzigen Gast bedienen, weder drinnen noch draußen, und sollten trotzdem bezahlen: den Eigentümern die Pacht und der Stadt die Gebühren.

Das ist ähnlich absurd, wie wenn jemand, der kein Einkommen hat, trotzdem Einkommensteuer zahlen müsste - vielleicht sogar noch absurder. Bei der Pacht mag es sich noch ein klein bisschen anders verhalten. Aber bei einer Gebühr für eine Nutzung, die verboten ist, kann keiner mehr einen vernünftigen Grund erkennen.

Zum Glück für die Kirchheimer Gastronomen ist diese Sicht der Dinge längst auch beim Gemeinderat und bei der Verwaltung angekommen: Für die SPD-Fraktion beantragte Stadtrat Michael Faulhaber in der ersten Gemeinderatssitzung nach der Corona-Pause, die Sondernutzungsgebühr zu erlassen und den Wirten zusätzlich zu erlauben, ihren Außenbereich zu erweitern. Der Grund für Letzteres: Wenn wegen der Abstandsregeln nur jeder zweite Sitzplatz belegt sein darf, fehlen 50 Prozent der Plätze. Wenn aber das gesamte Außenbewirtungsareal so ausgedehnt wird, dass sich trotz Abstandsregeln dieselbe Platzzahl erreichen lässt, gibt es keine corona-bedingten Beschränkungen mehr.

Die Stadtverwaltung hat darauf bereits reagiert und diese Ausweitung ermöglicht: Bis jetzt sind 16 Anträge auf Ausdehnung eingegangen. Zwölf davon sind mündlich bereits genehmigt. Die schriftliche Genehmigung soll folgen.

Was ist gerecht, was nicht?

Trotzdem ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen - wie Ralf Gerber (Freie Wähler) ausführte: „Die Regelung bevorzugt einseitig diejenigen, die Platz zum Ausdehnen haben.“ Deshalb machte er einen Zusatzvorschlag zur Idee, dass die Stadt den Gastronomen die halbe Saisongebühr erlassen könnte: „Wer nicht ausweiten kann, soll nur die Hälfte der Hälfte zahlen. Das wäre ein Stück Gerechtigkeit.“ Am Rande erwähnte er, dass auch Einzelhändler Gebühren entrichten, wenn sie Waren oder Reklameschilder vor den Laden stellen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann wollte daraufhin auch die Einzelhändler in den Antrag mit aufnehmen.

Grundsätzlich fanden die Gastronomen bei allen Fraktionen Verständnis: Natalie Pfau-Weller (CDU) benannte zwar das generelle Problem, Gerechtigkeit nicht wirklich herstellen zu können, sprach aber auch von „zwei harten Monaten für die Gastronomie seit März“. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sabine Bur am Orde-Käß ergänzte: „Das Problem war ja nicht nur die fehlende Außenbewirtung. Vielmehr gab es in der Zeit überhaupt keine Bewirtung.“

Oberbürgermeister Pascal Bader zeigte sich offen für die Argumente aus dem Rat. Einen vorschnellen Verzicht auf einen Teil der Gebühren wollte er aber trotzdem nicht empfehlen: „Wir hatten das Problem bei den Kita-Gebühren. Wenn wir da sofort drauf verzichten, können wir später kein Geld mehr beantragen, falls Bund oder Land Hilfen gewähren.“

Deswegen hat der Gemeinderat den Beschluss vertagt. Bis Ende September sind die Gebühren ohnehin gestundet, sodass die Vertagung aktuell keinen Nachteil für die Wirte bedeutet. Einen anderen Nachteil oder eine andere Ungerechtigkeit (siehe Artikel unten) hatte Michael Faulhaber schon angedeutet: „Speisegaststätten dürfen öffnen, reine Schankbetriebe aber nicht. Man kann es der Bevölkerung nur sehr schwer erklären, dass es konzessionsabhängig ist, ob jemand öffnen darf oder nicht.“