Kirchheim

Streicher drehen das Spinnrad

Konzert Das VHS-Orchester beeindruckt in großer Besetzung in der Kirchheimer Stadthalle mit Werken von Camille Saint-Saëns, Gabriel Fauré und Johannes Brahms. Von Hans-Günther Driess

50 Musikbegeisterte  unter der Leitung von Siegfried Hartauer rissen das Publikum mit. Fotos: Markus Brändli
50 Musikbegeisterte unter der Leitung von Siegfried Hartauer rissen das Publikum mit. Fotos: Markus Brändli

Das VHS-Orchester Kirchheim besteht hauptsächlich aus Laienmusikern, die im Alltag den verschiedensten Berufen nachgehen. Umso höher ist die Leistung zu bewerten, welche diese 50 Musikbegeisterten in der ausverkauften Kirchheimer Stadthalle geboten haben. Mit Werken der Spätromantik unter Leitung von Siegfried Hartauer haben sie das Publikum begeistert. Der erfahrene Dirigent und Violinist leitet seit 2017 das Ensemble und zeigt an diesem Abend, wie weit man ein Laienorchester durch konsequente Probenarbeit bringen kann.

Vor Beginn des Konzerts gibt der Kirchheimer Musikwissenschaftler Dr. Bernhard Moosbauer eine interessante Konzerteinführung, bevor dann die eigentliche Musik zum Zuge kommt.

Als Eröffnung des Abends erklingt die Pavane von Gabriel Fauré, dem „französischen Schumann“. Kleine Temposchwankungen zu Beginn schmälern nicht den sauber intonierten, reizvollen Dialog zwischen Holzbläsern und Streichern, der dann zum symphonischen Klang anschwillt. Mit seinem Querflötensolo brilliert dabei vor allem Dr. Michael Wisotzky.

Camille Saint-Saëns gilt als einer der bedeutendsten Komponisten an der Wende von der Spätromantik zur musikalischen Moderne. In seinem a-Moll-Konzert Nr. 1 für Violoncello und Orchester meistert der erste Cellist Reinhard Klay den anspruchsvollen Solopart mit Virtuosität bei rasenden Läufen und zeigt seine Musikalität in expressiven Passagen und Übergängen. Das VHS-Orchester spielt auf gutem Niveau in allen Klanggruppen und gefällt mit schön gestalteten Melodiebögen und exakten Einsätzen. Nach der Pause folgt mit der Orchester-Suite „Pelléas et Mélisande“ von Gabriel Fauré ein Werk der Programmmusik.

Die Suite, die eigens für das gleichnamige Bühnenstück komponiert wurde, unterstreicht die Dramatik der Geschichte über die verbotene, todgeweihte Liebe der beiden Titelgestalten.

Die charakteristische romantische Klangsprache weist schon deutlich auf den musikalischen Impressionismus voraus. Klangfarbenreichtum, exotische Tonfolgen, neuartige Tonartwechsel mit Parallelverschiebung von Akkorden sind stiltypisch in dieser Übergangszeit zur musikalischen Moderne. Susanne Breckel lässt ihre Flöte leuchten über dem Flirren der Harfe von Andrea Ehrlich. Diese äußerst zart gespielte Passage mit ihrem feinen hellen Klang steht unzweifelhaft für die Schönheit von Melisande. Zu einem herrlichen Klanggemälde wird auch der zweite Satz „La Fileuse“, in dem mit der monoton kreisenden Bewegung der Streicher das Drehen des Spinnrads vertont wird.

Nach dem weltberühmten Satz „Sicilienne“ beginnt „La mort de Mélisande“ als Trauermarsch, um dann in unendlich ausladender Melodik mit extrem ausgereizter Dynamik in den expressiv gestalteten Schluss einzumünden. Herrlich strahlen die Streicher im versöhnlichen G-Dur in der Coda - „Melisande lebt weiter“.

Mit den von Johannes Brahms komponierten Variationen über ein Thema von Joseph Haydn für Orchester in B-Dur steht ein höchst anspruchsvolles Werk auf dem Programm. Der Spätromantiker Brahms ist Klassizist, steht also in der Tradition der Wiener Klassik, zugleich wird er seiner musikgeschichtlichen Bedeutung als Vertreter der „Absoluten Musik“ und Vollender der Variationstechnik gerecht. Das Orchester bringt eine auch in schwierigstem Fahrwasser respektable Leistung zu Gehör und setzt mit dem Finale in der 9. Variation mit hymnischen Klängen den grandiosen Schlusspunkt des musikalischen Abends.

Konzert VHS Orchester, Sinfoniekonzert inkl. Solo-Cellokonzert, Leitung: Siegfried Hartauer, Solist: Reinhard Klay
Konzert VHS Orchester, Sinfoniekonzert inkl. Solo-Cellokonzert, Leitung: Siegfried Hartauer, Solist: Reinhard Klay