Kirchheim
Tageseltern opfern häufig ihre Freizeit

Betreuung Eltern und Arbeitgeber wären ohne Tagesmütter und -väter aufgeschmissen. Warum viele trotzdem mit ihrem Beruf hadern, war Thema eines Online-Polit-Talks mit den Landtagskandidaten. Von Antje Dörr

Es gehört zum Wesen dieses Pandemie-Wahlkampfs, dass Veranstaltungen zu Themen stattfinden, die in normalen Jahren vermutlich nicht stattgefunden hätten. Nicht, weil sie unwichtig sind, sondern weil man mit ihnen keine Räume füllen kann. Die Kindertagespflege ist ein Thema, das ungerechterweise ein solches Schattendasein führt. In einem Online-Polit-Talk haben die Kandidaten aller im Landtag vertretenen Parteien und der Linken mit Verantwortlichen des Tageselternvereins und dem Publikum, das hauptsächlich aus Tagesmüttern bestand, diskutiert und Probleme ans Licht gebracht.

Und davon gibt es mehr als genug. Bei vielen der rund 400 Tagesmütter und neun Tagesväter, die im Landkreis Esslingen Babys, Klein- und Schulkinder in ihren Häusern und Wohnungen betreuen, hat sich einiges an Frust angestaut. Die schlechte Bezahlung ist das eine. Tageseltern erhalten pro Kind und Stunde 6,50 Euro, bis Ende 2018 waren es sogar nur 5,50 Euro. „Der eine Euro, den wir mehr bekommen haben, ist schon längst von der EnBW aufgefressen worden“, sagt Tagesmutter Kornelia Wüst. Bezahlt wird nur die Betreuungszeit, beschäftigt sind die die Tagesmütter und -väter jedoch oft von morgens bis spät abends. „Die Wohnung putzen und desinfizieren, zum Corona-Test gehen, Elterngespräche führen, Portfolios machen, Mittagessen vorkochen - das mache ich alles in meiner Freizeit“, sagt Kornelia Wüst. Theoretisch dürfen Tageseltern fünf Kinder gleichzeitig betreuen, häufig wird argumentiert, so lasse sich von dem Beruf leben. „Das ist aber nicht die Qualität, die wir bieten wollen, vor allem nicht im U3-Bereich“, sagt Wüst.

Tagesmutter Gaby Pietsch macht unter anderem der Papierkrieg zu schaffen, den die Tageseltern führen müssen, um an ihr Geld zu kommen. „Das Bürokratische ist unheimlich schwierig und mühselig.“ Auch das finde alles nebenher statt. „Ich bin immer da. Ich habe Notbetreuung gemacht, obwohl ich Risikopatientin bin. Wenn das Kind ein Geschwisterchen bekommt und die Mutter nachts in die Klinik muss, bin ich da. Das ist ein sehr hingebungsvoller Beruf.“ Es sei traurig, immer um Wertschätzung kämpfen zu müssen.

Anders als vereinbart, habe die Überprüfung des Stundensatzes und eine damit verbundene mögliche Erhöhung 2021 bisher nicht stattgefunden, kritisierte Sibylle Schober, wirtschaftliche Geschäftsführerin des Tageselternvereins. „Dafür gibt es keinen ideologischen Grund. Ministerin Eisenmann ist einfach noch nicht dazugekommen“, sagte Andreas Schwarz (Grüne). Schwarz nannte die Kindertagespflege neben den Kitas „die zweite Säule für ein zuverlässiges Bildungs- und Betreuungssystem“. Dr. Nathalie Pfau-Weller (CDU) betonte ebenfalls die Bedeutung der Kindertagespflege. Die CDU-Fraktion unterstütze das Anliegen des Landesverbands der Tageseltern, in das Kindertagesbetreuungsgesetz aufgenommen zu werden. Andreas Kenner (SPD) sieht die Stärke der Kindertagespflege in den flexiblen Betreuungszeiten, vor allem im ländlichen Raum, wo es nicht so viele Angebote gebe. Dankbarkeit allein helfe aber nicht. „Bei Themen wie Bezahlung, Absicherung und Rente gibt es noch einiges zu tun.“

Auch Ralph Kittl (FDP), betonte, dass die Attraktivität des Berufs noch gesteigert werden könne. Die Entlohnung hält er für viel zu niedrig. „Wenn ich fünf Kinder betreue, bekomme ich 32,50 Euro pro Stunde. Dafür würde man keinen Handwerker ins Haus bekommen.“ Das sieht auch Christof Deutscher (AfD) so. „Was eine Tagesmutter leistet, geht weit über das hinaus, was sie verdient.“ Hüseyin Sahin (Die Linke) regte an, den Stundensatz an eine aktuelle Lohnentwicklung zu koppeln. Dass Sorge-Arbeit immer mehr in den privaten Bereich hineingeschoben werde, sei zudem ein großes Problem.