Kirchheim

Tanzend ein Zeichen setzen gegen Gewalt an Frauen

Protest Zum Auftakt der Frauenkulturtage 2024 tanzten in Kirchheim wieder viele auf der Lauterbrücke nach dem Vorbild der Bewegung von „One Billion Rising“ und brachten ihre Solidarität mit Gewaltopfern zum Ausdruck. Von Helga Single

Zum Auftakt der Frauenkulturtage 2024 tanzten wieder viele auf der Lauterbrücke und brachten ihre Solidarität mit Gewaltopfern zum Ausdruck. Foto: Helga Single

Kirchheim. Es gibt viele Erscheinungsformen von Gewalt. Neben körperlicher Gewalt schränkt sexualisierte und psychische als auch strukturelle Gewalt die persönlichen Freiheiten und Chancen der Betroffenen ein. Laut einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zu Gewalt gegen Frauen, veröffentlicht im März 2014, haben 35 Prozent der Frauen in Deutschland körperliche und oder sexuelle Gewalt durch einen Partner oder Partnerin oder einer anderen Person seit ihrem 15. Lebensjahr erfahren. Im europäischen Durchschnitt sind es 33 Prozent.

Zahlen, die aufhorchen lassen und betroffen machen, denn weltweit ist jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Das diesjährige Motto: „Rise for Freedom“, sich erheben für die Freiheit, spannt den Bogen weiter auf und lenkt die Aufmerksamkeit angesichts der weltweiten Krisenherde auf alle Menschen, die tagtäglich mit Gewalt konfrontiert sind.

Seit 2018 initiiert die Frauenliste in Kirchheim die Solidaritätsveranstaltung. Sie wollen sensibilisieren und dem Thema größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen. Denn es kann jeden treffen und fängt klein an. Sabina aus Ötlingen wurde am Bahnhof beim Gassigehen mit ihrem Hund verbal beleidigt und meidet die Unterführung bei Dunkelheit. Sie ist gekommen und unterstützt die Veranstaltung. Sie findet es wichtig sich öffentlich gegen Gewalt auszusprechen und für Menschenwürde und Unversehrtheit von Menschen einzusetzen. Auch ihre Freundin Brigitte, die immer mit dem Fahrrad unterwegs ist und keine schrecklichen Erfahrungen machen musste, spricht sich klar gegen strukturelle Gewalt aus. Dies sei ein übergeordneter diskriminierender Kontext, der gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Strukturen umfasst, zu denen ungleiche Verteilung von Ressourcen, Bildungschancen, Einkommen oder Lebenserwartung zählten. Dagegen müsse man vorgehen, meint sie.

In diesem Jahr sind nicht so viele Tanzbegeisterte gekommen wie zu Beginn als es noch vor dem Rathaus stattfand. Die Sportfreunde Dettingen unterstützten mit ihrer Choreographie, aber die Schulklassen, die sonst dabei waren, fehlten. Sicherlich habe das mit dem Ferienbeginn zu tun, vermuteten die Anwesenden, denn der Standort sei mit Bedacht gewählt, denn „auf der Lauterbrücke konnten wir ein breiteres Publikum ansprechen“, sagt Jeanette Fink, eine der Aktivistinnen der Frauenliste. Und auch sonst konnten sie auf die Beteiligung von Pro Familia und Frauen-helfen-Frauen zählen. Im Vorfeld hatten angesprochene Schulen dankend abgelehnt wegen mangelnder Kapazitäten, fehlender Lehrkräfte und eingeschränkter Hallenbelegung. Sehr schade, findet Jeanette Fink, denn je frühzeitiger der Kontakt zu diesem Thema hergestellt wird, desto besser. Bei weitem handelt es sich dabei nicht um ein Frauenthema, die Männer redeten nur nicht darüber. Die Mehrzahl glaubten, damit nichts zu tun zu haben. Einige wenige tanzten mit. Timo, der seine Frau von den Sportfreunden Dettingen begleitet hat, hält es wichtig mit Veranstaltungen wie dieser ein Zeichen zu setzen, damit „es nicht im Verborgenen bleibt“ und weiter viele Seelen beschädigt werden. Er hofft, dass dies Maßstäbe setzt.

 

Info

Die Bewegung „One Billion Rising", zu Deutsch: „Eine Milliarde erhebt sich“, ist ein Aktionsbündnis, das 2012 in New York gegründet wurde. Ziel ist es, weltweit durch Tanzen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Gewalt an Frauen und Mädchen zu richten. Betroffene sollen wissen, dass sie auf ihrem Weg aus der Gewalt nicht alleine sind. Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen” berät rund um die Uhr zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen. Die Betroffenen können jederzeit jemanden erreichen und Hilfe erhalten. Unter 08000/116 016 und per Online-Beratung auf www.hilfetelefon.de berät das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ – rund um die Uhr, anonym und kostenfrei.