Oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied macht. Einen Schulranzen auswählen, zum Beispiel. Während es für Kinder aus Mittelschichts-Familien einfach dazugehört, im Frühjahr vor der Einschulung ins Geschäft zu marschieren und mit einem viel zu großen Schulranzen auf dem schmalen Rücken und mit stolzem Herzen wieder herauszukommen, bliebe solch ein Ritual Kindern aus armen Familien verwehrt. Wenn es nicht Unterstützer wie das Aktionsbündnis „Starkes Kirchheim“ gäbe, das Inhabern des Stadtpasses – also sozial schwachen Familien – für genau so etwas Geld zur Verfügung stellt. In diesem Jahr sammelt der Teckbote mit seiner „Weihnachtsaktion“ Spenden für „Starkes Kirchheim“.
"Kein Kind soll verloren gehen“. Das ist der Gedanke, der hinter der Arbeit des Bündnisses steckt. 2008 veröffentlichte die Stadt einen Bericht, aus dem hervorging, dass 13,8 Prozent der Kirchheimer Kinder arm sind, also Eltern haben, die Hartz IV beziehen oder ein Einkommen, das in etwa auf Hartz IV-Niveau oder knapp darüber liegt. Das war die Geburtsstunde von „Starkes Kirchheim“. 947 arme Kinder in einer wohlhabenden Stadt wie Kirchheim, das war für die Gründungsmitglieder, unter ihnen Sprecherin Christine Marin, unerträglich. Sie begannen, Veranstaltungen auf die Beine zu stellen und Geld und Mitstreiter zu sammeln. Von Anfang an im Boot waren die Stadt Kirchheim, insbesondere das damalige Amt für Familie und Soziales, und die Diakonie als wichtige Brückenbauerinnen zu benachteiligten Familien.
Ein erster Baustein, um Kindern aus armen Familien zu mehr Teilhabe zu verhelfen, war das Schul-Mittagessen. „Wir haben beobachtet, dass viele Kinder in der Mittagspause draußen saßen und nichts aßen“, erinnert sich Christine Marin. „Aber mit leerem Bauch kann man nichts leisten. Man bleibt auch von der Gemeinschaft ausgeschlossen“. Über Spenden wurden 12000 Mittagessen finanziert, Familien mussten pro Mahlzeit nur einen Euro zuschießen. Wer diese Leistung in Anspruch nehmen wollte, musste Inhaber eines Stadtpasses sein, den die Stadt Kirchheim nach Veröffentlichung des Armutsberichts ins Leben gerufen hatte, um benachteiligte Familien zu unterstützen. Mittlerweile finanziert der Bund das Mittagessen.
Kostenloses Frühstück an Schulen, ermöglicht durch Spenden und viele Arbeitsstunden von Ehrenamtlichen, war ebenfalls ein frühes „Starkes Kirchheim“-Projekt, das bis heute andauert. „Vor allem, wenn Mütter alleinerziehend sind, kann es sein, dass sie vor den Kindern aus dem Haus müssen. Dann kann keiner danach schauen, ob die Kinder gefrühstückt haben“, sagt Christine Marin. Wer sich Schulausstattung wie Ranzen, Mäppchen oder Turnbeutel und Kita-Ausstattung wie Matschkleidung und Gummistiefel nicht leisten kann, dem greift „Starkes Kirchheim“ unter die Arme. Allerdings nicht einfach so, betont Christine Marin. „Die Berechtigung wird geprüft, und die Eltern müssen in Vorleistung gehen. Wenn sie das nicht können, geht jemand von „Starkes Kirchheim“ mit und schießt das Geld vor.“ Zuschüsse zu Ausflügen, Schullandheimen oder Nachhilfe sind ebenfalls möglich. 2015, als viele geflüchtete Familien mit Kindern nach Kirchheim kamen, brachten Mitglieder des Aktionsbündnisses Schulmaterial direkt zu den Flüchtlingen. „Starkes Kirchheim“ finanzierte Alphabetisierungskurse und Sprachförderung.
Auch im ersten Corona-Jahr 2020 ist „Starkes Kirchheim“ seinem Ruf, schnell und unbürokratisch zu helfen, treu geblieben. „Im ersten Lockdown hatten wir hunderte Kinder, die ohne Laptop zuhause saßen und Homeschooling machen mussten“, erinnert sich Michaela Göhler-Bald, ebenfalls Mitglied im Aktionsbündnis. Für 10 000 Euro kaufte „Starkes Kirchheim“ rund 150 gebrauchte Laptops, die für 20 bis 30 Euro Eigenbeteiligung von der Diakonischen Bezirksstelle an die Eltern herausgegeben wurden. Später schaffte auch die Stadt Geräte an.
Im Jahr 2021 hat sich „Starkes Kirchheim“ vorgenommen, jenen Schülerinnen und Schülern zu helfen, die während der Lockdowns verloren gegangen sind. „Wir haben ein Förderprogramm aufgelegt, aktuell laufen 15 Projekte oder sind schon gelaufen“, sagt Michaela Göhler-Bald. Für dieses Programm sammelt der Teckbote im Rahmen seiner „Weihnachtsaktion“ Spenden. Von Einzelförderung bis hin zu Projekten, in denen soziale Interaktion trainiert werde, sei alles dabei, sagt Göhler-Bald. Allerdings dürften es gerne noch mehr Projekte werden. „Wir wünschen uns noch 150 Anträge von Menschen, die auch etwas tun wollen.“