Kirchheim
Traumjob Erzieher: Für echte Kerle ist Matsch ein Kinderspiel

Bildung Früherziehung ist Frauensache, doch der Anteil der männlichen Erzieher wächst langsam aber stetig. Der Kirchheimer Waldkindi hat gleich drei zu bieten: Grund genug für einen Ortsbesuch. Von Thomas Zapp

Sein Arbeitsplatz ist an jedem Arbeitstag anders und heute vor allem eins: nasskalt. Es hat in der Nacht zuvor geschneit und die Wege zwischen Bauwagen Wald und Sitzbänken verwandeln sich minütlich mehr und mehr in Matschpisten. Die Kinder des Waldkindis Kirchheim sitzen dick eingepackt und mit dreckigen Gummistiefeln an der frischen Luft und löffeln ein Gemüsesüpple mit Backerbsen. Genauso mag es Marco Bachmann. Ein Leben lang in einer Halle mit Maschinen zu stehen, das konnte sich der 27-jährige nicht vorstellen. „Hier hab ich das Gefühl, dass die Arbeit Sinn macht“, sagt der Erzieher, der durch seinen Bruder Robin auf die Idee kam.

Mit Robin und dem „Veteranen“ Phil Maier (38), seit 2010 dabei und damals der einzige Mann im Kindi, sind es aktuell sogar drei Erzieher sowie ein
 

Man wird hier vermisst, wenn man nicht da ist. Das passiert in einer Firma nicht.
Robin Bachmann
 

männlicher Praktikant in der Gruppe. Das ist ungewöhnlich in einem Beruf, der zahlenmäßig immer noch von Frauen dominiert wird. 

Die Gruppenleitung im Kirchheimer Waldkindi ist seit sechseinhalb Jahren weiblich: Nicole Schmid findet es optimal, dass es im Kindi drei männliche Kollegen und mit ihr drei weibliche Kolleginnen gibt. Wenn sich manche Klischees bestätigen, findet sie das gar nicht schlimm. „Die Mischung macht’s. Männer sind manchmal etwas entspannter und haben eine andere Art zu spielen“, sagt sie. Die bauen eine Hütte, sägen eher mal etwas. „Das machen manche Waldkindis gar nicht“, sagt sie. Und männliche Erzieher raufen auch mal mit den Jungs oder sprechen lauter. „Wenn ich im Wald manchmal alle zusammenrufen muss, sag ich auch mal zu einem der Männer: ,Schrei Du mal’. Der hat einfach eine andere Stimme“, sagt sie lachend. 

Vorbehalte der Eltern habe es nicht gegeben. „Die fanden das super“, sagt sie. Aus anderen Kindertagesstätten habe sie auch schon anders gehört, zum Beispiel dass Kinder nicht auf dem Schoß eines männlichen Erziehers sitzen dürfen. „Vielleicht war es hier anfangs für manche Kinder ungewohnt, wenn sie ein Mann beim ,Pippimachen’ begleitet. Aber das legt sich bei ihnen schnell“, sagt Nicole Schmid. Problematischer wäre es wohl, wenn es auch Kleinkinder unter drei Jahren gäbe, die noch gewickelt werden müssten. Aber diese Frage stellt sich im Kirchheimer Waldkindi nicht: Wald und Wickeln, das schließt sich aus.

Ihre drei Männer und den Praktikanten Moritz Ströbele will Nicole Schmid daher auch nicht so schnell wieder hergeben. Sie kann aber verstehen, dass der Beruf für Männer – noch – nicht so attraktiv ist. „Es gibt sehr viele Teilzeitstellen“, sagt sie. Außerdem müsse man den Urlaub nach den Schließzeiten richten, und dann ist da natürlich noch die Bezahlung und das Ansehen. „Nur Kinder bespaßen, kein Anspruch, man verdient nix“: Marco Bachmann kennt die Vorurteile. „Die Ausbildung hat es aber in sich“, sagt er. Der Anspruch sei vergleichbar mit der Meisterschule. Sein Bruder erinnert sich: unter 75 Azubis gab es fünf Männer, und von denen wollten fast alle Jugend- und Heimerzieher werden, kaum einer in die Früherziehung.

Phil Maier, der einzige Vater unter den drei Erziehern, ist eigentlich Mediendesigner und über zweiten Bildungsweg und Zivildienst zunächst Jugend-Heimerzieher geworden, kam dann über die offene Jugendarbeit zur Früherziehung. „Es werden mehr, das ist schön“, freut er sich über die Zunahme männlicher Erzieher, trotz aller Nachteile. Er selbst arbeitet in Teilzeit, kombiniert das mit seinem ersten Job.

Etwas anderes zu machen, käme keinem in den Sinn: „Das ist ein Job fürs ganze Leben, er gibt einem jeden Tag Sinn, morgens aufzustehen“, sagt Marco Bachmann. Und die Exotenrolle hat man auch sicher. „Wenn man in einer Runde erzählt, man ist Erzieher, kommen die meisten Nachfragen, bei anderen Berufen ist das nicht so“, sagt Robin Bachmann.