Wer heute, zwei Monate nach dem Hagelsturm und den darauffolgenden sintflutartigen Regenfällen, durch die Kleingartenanlage im Gewann Rübholz spaziert, könnte annehmen, dass die 34 Parzellen nicht vom Unwetter betroffen waren. Alles blüht und gedeiht auf den ersten Blick, als wäre nie was gewesen.
Aber eben nur auf den ersten Blick, wie einige Gartenpächter berichten: „Hagel und Sturm waren so stark, dass zwei gesunde Bäume umknickten wie Streichhölzer“, erinnert sich Jürgen Polzer. Als er am Abend nach dem Hagelsturm zur Kleingartenanlage der Gartenfreunde Ötlingen-Lindorf rausfuhr, bot sich ihm ein niederschmetternder Anblick: „Ich bin richtig erschrocken, wie es überall in den Parzellen ausgesehen hat.“ Auch sein Garten war betroffen, Hagel, Regen und Sturm hatten praktisch alles zerstört, was er in stundenlanger Handarbeit gehegt und gepflegt hatte.
Christian Hofmann, der fast seit Gründung der Gartenanlage ein Grundstückle bewirtschaftet, präzisiert: „Zum einen hat der Hagel restlos alles zerschlagen. Es war keine Blüte mehr zu sehen und auch an den vielen Obstbäumen haben die Hagelkörner die bevorstehende Ernte zerstört.“ Und das sollte es nicht gewesen sein. Nur ein paar Tage später zog der Starkregen über das Rübholz und brachte den Feierabendgärtner deutlich mehr Wasser als gewünscht. „Ich hatte einen Fluss in meinem Garten – aus Wasser und Schlamm“, beschreibt Jürgen Polzer das zweite Unwetter.
Für Christian Hofmann waren die sintflutartigen Regenfälle schlimmer als der Hagel. Er erklärt, warum: „Mit dem Regen kam und blieb die Feuchtigkeit. Und diese war für viele Gemüsepflanzen, wie beispielsweise Tomaten, der Tod: Sie verfaulten.“ Und als wäre das alles nicht schon genug: Die Feuchtigkeit sorgte noch für eine weitere Plage, wie Jürgen Polzer ergänzt: „Schnecken lieben feuchten Boden, und nach den Unwettern machten sie sich zu hunderten auf, um sich über die kümmerlichen Reste herzumachen. So viele Schnecken auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen.“
Längst sind die Schäden den Versicherungen gemeldet und der Grünmüll beseitigt. Geblieben sind jedoch die Bilder und Erinnerungen an die Erlebnisse mit den Naturgewalten. Auch bei Oliver Berndt. Er wollte erst gar nicht glauben, was der Hagelsturm anrichtete: „Erst als mir ein Freund Bilder von der hagelbedeckten Lauterbrücke schickte, dachte ich mir, jetzt muss ich doch mal in die Gartenanlage. Beim Anblick dachte ich nur: Ach, du Schreck.“
Bei all der Trübsal gab es aber auch Lichtblicke, wie sich Hans Thiemel, ehemaliger und langjähriger Vorsitzender der Gartenfreunde, erinnert: „Wir haben uns alle gegenseitig geholfen und unterstützt.“ Als erstes beseitigten die Hobbygärtner die umgeknickten Bäume. Danach ging es ans Aufräumen. „Die Blumen und Pflanzen haben sich nach dem Hagel recht schnell erholt und jetzt blühen sie wieder, als hätte es kein Unwetter gegeben“, freut sich Hans Thiemel. Beim Blick auf die Obstbäume wird er allerdings traurig: „Es gibt in diesem Jahr keine Kirschen, Pflaumen und Äpfel aus eigenem Anbau.“ Viele Bäume bieten einen trostlosen Anblick und an den Blättern kann man den Hagelschlag deutlich erkennen. Allerdings tun es viele Bäume den Gärtnern gleich: Nicht aufgeben. Und so wachsen beispielsweise an den Ahornbäumen zwischen den durchlöcherten Blättern schon wieder neue gesunde Blätter. Dies ist nicht zuletzt Antrieb und Motivation für die Gartenfreunde.
Kopf hoch! Weitermachen!
Oliver Berndt ist gerne auf seiner Parzelle: „Was soll ich übers Wochenende in der Bude sitzen, wenn ich in den Garten kann.“ Und nebst dem Gärtnern kommt auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Hans Thiele schätzt die Gespräche mit den Kollegen: „Wir können über alles reden, ohne Streit, obwohl wir manchmal nicht gleicher Meinung sind. Meistens geht’s um Fußball und unseren VfB Stuttgart.“
Ab 11.30 Uhr jeweils beginnt für die Gartenfreunde ein Ritual: der Frühschoppen. Oliver Berndt erklärt: „Wir wollen uns ja nicht nur um die Pflanzen und Bäume kümmern, sondern auch unsere Freundschaft pflegen.“ In einem sind sich Jürgen Polzer, Hans Thiemel und Oliver Berndt einig: „Die Kleingartenanlage ist für uns ein Ort des Glücks und der Zufriedenheit – und von Unwettern lassen wir uns nicht unterkriegen.“