Kirchheim

Tschüss, Landleben!

Wildtiere Waschbär, Dachs und Co. wandern immer mehr in städtische Bezirke ein – Konflikte und Verhaltensänderungen sind die Folge. Von Daniela Haußmann

Sie sind „Wildtiere“, die Waschbären, doch sie fühlen sich in der Stadt pudelwohl.Foto: Claudia Reinöhl
Sie sind „Wildtiere“, die Waschbären, doch sie fühlen sich in der Stadt pudelwohl.Foto: Claudia Reinöhl

Fuchs und Co. zieht es in Siedlungsgebiete. Üppiges Futter und viele Unterschlüpfe machen das Leben mit dem Menschen attraktiv. Wachsende Wohngebiete, neue Autobahnen und Bahntrassen zerschneiden immer mehr ihren Lebensraum. Landwirtschaftliche Monokulturen, bieten ihnen nur noch wenig Nahrung. Was wächst und was nicht, liegt allein in Menschenhand, wie Martin Klatt vom NABU-Landesverband Baden-Württemberg berichtet.

In Beeten und auf Komposthaufen finden die Tiere eine schmackhafte Mahlzeit aus Würmern, Schnecken, und Mäusen. Außerdem werden sie von weggeworfenen Essensresten, Müll oder Tierfutter angelockt. Doch nicht nur das Futterangebot macht das Stadtleben attraktiv.

Parks und Häuser bieten laut Sascha Richter zahlreiche Unterschlüpfe. „Fressfeinde müssen die Tiere in Städten und Gemeinden kaum fürchten“, erklärt der Wildtierbeauftragte des Landratsamtes Esslingen. So könnten Waschbären in Dörfern und Städten ein vergleichsweise ruhiges Leben führen. Haben sie den Dachboden zum festen Wohnsitz erkoren oder der Fuchs im Schuppen Quartier bezogen, dürfen unter strengen Auflagen ausschließlich Lebendfallen eingesetzt werden, betont Richter .

„Das Gesetz untersagt das Jagen von Wildtieren im Siedlungsgebiet“, so der Forstingenieur. „Schnappt die Falle zu, nimmt ein Fachmann Fuchs und Falle mit, um das Tier an einem geeigneten Ort zu befreien.“ Während der Schonzeit dürfen Wildtiere auch mit Fallen nicht gejagt werden, weil in dieser Zeit erwachsene Tiere ihren Nachwuchs aufziehen. „Doch unabhängig von der Schonzeit sollten Hausbesitzer keinesfalls auf eigene Faust versuchen, die ungebetenen Gäste loszuwerden.“ Damit würden sie eine Ordnungswidrigkeit begehen und Bußgeld zahlen müssen.

Ganz einfach lassen sich die wilden Nachbarn ohnehin nicht vertreiben: Der Rat, die Stereoanlage lauter aufzudrehen, veranlasst nicht jedes Tier zum Ortswechsel. „Wildtiere passen sich dem urbanen Lebensraum an. Der Lärmpegel macht ihnen nichts aus, ansonsten würden sie gar nicht erst kommen“, weiß Martin Klatt. „Vögel beispielsweise singen in der Stadt lauter und schriller.“ Das könne dazu führen, dass sich ihr Gesang bald so verändert, dass sie mit Artgenossen vom Land nicht mehr kommunizieren können und sich mit ihnen nicht mehr fortpflanzen.

Auch der biologische Rhythmus städtischer Vögel unterscheide sich von dem ihrer ländlichen Kollegen. Schuld daran sei das viele Licht, das dazu führt, dass sich die Vögel nicht mehr an der Sonne orientieren. „Sie fangen früher an zu singen als ihre Artgenossen oder zwitschern in der Nacht“, berichtet Martin Klatt.

Auch Steinmarder, Fuchs, Dachs und Wildschweine, die zwischenzeitlich die Siedlungsgebiete für sich entdecken, passen sich an die Gegebenheiten ihrer städtischen Lebensräume an. „Der Mensch wird sich auf das Zusammenleben mit Wildtieren einstellen müssen“, so Klatt. „Denn auch wenn sie gefangen und in ihrem natürlichen Lebensraum ausgesetzt werden, kehren viele wieder zurück.“