Kirchheim. Bedrohlich ballte sich über Kirchheim eine Böenwalze zusammen, bevor der Hagelsturm niederging, der Straßen und Keller überflutete und Gärten völlig verwüstete. Dass schwerer Hagel drohte, ist laut Thomas Schuster, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Stuttgart, an der Farbe Türkis der Wolke im Hintergrund zu erkennen. Der Mittlere Neckarraum sei besonders häufig von Gewittern betroffen, weil deren Zugbahn oft entlang der Schwäbischen Alb verlaufe.
Die Frage, ob sich an der Häufung schwerer Unwetter bereits der Klimawandel ablesen lässt, beantwortet Thomas Schuster mit einem eindeutigen „Ja“. Durch die höhere Temperatur halte sich mehr Wasserdampf in der Atmosphäre. So stehe bei dessen Kondensation mehr Energie zur Verfügung. „Das bringt auch stärkere Gewitter im Sinne von Blitzentladungen, Hagel und Niederschlagsmengen mit sich“, erklärt der „Wetterfrosch“. Weil sich Luftströme verlangsamen, ziehen Gewitter seit einigen Jahren zudem nicht mehr so schnell weiter wie früher. Damit fällt viel Niederschlag auf geringe Flächen.
Zu „Hagelfliegern“ gebe es verschiedene Meinungen. Um die Bildung von Hagel zu verhindern, werden die Wolken mit Chemikalien geimpft. „Ich persönlich denke, der Effekt ist sehr gering“, sagt Thomas Schuster. Die Hagelflieger würden auch nicht vom Deutschen Wetterdienst informiert. Laut Landwirtschaftsamt im Landratsamt Esslingen hatte die Württembergische Gemeinde-Versicherung (WGV) nach dem starken Hagel im Juli 2013 Schäden in Höhe von 230 Millionen Euro zu begleichen. Deshalb hat sie inzwischen zwei Hagelflieger im Einsatz. Insgesamt decken vier Flieger ganz Württemberg ab. Zwei davon werden aus einem Gemeinschaftsprojekt finanziert. Beteiligt sind daran neben dem Rems-Murr-Kreis mehr als 100 Partner aus Wein- und Obstbau, Kommunen, Firmen und Versicherungen. Der Landkreis Esslingen lehnte 2014 eine Mitfinanzierung ab, weil er wie das Land der Auffassung war, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit gebe. Bei dem Unwetter am 23. Juni wurde die von Westen heranrückende Gewitterwolke von drei Hagelfliegern geimpft. Nach Ansicht des Landwirtschaftsamts seien dadurch vermutlich noch größere Schäden verhindert worden. Anke Kirsammer