Kirchheim
Ukrainische Jugendliche drücken die Schulbank

Krieg An der Kirchheimer Alleenschule lernen ukrainische Jugendliche Deutsch. Die Warteliste ist lang, eine zweite Klasse an der Raunerschule hätte längst starten können. Wäre da nicht die Bürokratie. Von Antje Dörr

Es ist Donnerstag, 8.30 Uhr. Aus dem Donbass wird schwerer Artilleriebeschuss gemeldet. Vor den Fenstern der Kirchheimer Alleenschule leuchten die Blätter der Bäume in der Frühlingssonne, so grün, als hätte jemand einen Filter über sie gelegt. An den Fenstern hängen Herzen. Sie sind nicht rot, sondern blau und gelb.

Im Klassenzimmer blickt Ida Bulling in müde Gesichter. Die Russin mit dem leuchtend roten Haar unterrichtet seit dem 4. April 15 Jugendliche aus der Ukraine. Sie heißen Ivan, Mascha und Alina, sehen aus wie deutsche Jugendliche und müssen doch schon Dinge aushalten, die den allermeisten ihrer Altersgenossinnen und -genossen fremd sind. Der Krieg ist heute morgen jedoch kein Thema, Deutsch steht auf dem Lehrplan. Die Jugendlichen, die in ihrem alten Leben kein Deutsch gelernt haben, kämpfen sich tapfer durch die Grammatik. „Woher kommst du?“ – „Ich komme aus der Ukraine.“ „Seit wann bist du in Deutschland?“ – „Ich bin seit zwei Monaten in Deutschland“.

Die Alleenschule ist traditionell die Kirchheimer Schule, an der geflüchtete Jugendliche in so genannten Vorbereitungsklassen (VKL) Deutsch lernen. Auch mathematische Grundkenntnisse, Sport und Demokratiebildung, also Grundlagen des politischen Systems, stehen auf dem Lehrplan. Ziel ist es, die Kinder binnen maximal zwei Jahren auf den Unterricht in der Regelklasse vorzubereiten. Das Einzugsgebiet ist groß, es reicht von Hochdorf über Kirchheim bis nach Neidlingen. Geflüchtete ukrainische Kinder im Grundschulalter, die es mittlerweile an den meisten Schulen gibt, werden nicht in solchen separaten Klassen unterrichtet, sondern erhalten innerhalb des Regelunterrichts an ihren jeweiligen Schulen Sprachförderung. 

Drei VKL-Klassen gab es an der Alleenschule seither – bis Russland in die Ukraine einmarschierte. „Ab dem 25. März haben sich immer mehr Familien bei den Kirchheimer Schulen gemeldet und nach Unterricht gefragt“, erinnert sich Thorsten Bröckel, der nicht nur Rektor der Alleenschule ist, sondern auch geschäftsführender Schulleiter der Kirchheimer Schulen. „An den Gymnasien und Realschulen gibt es aber gar keine Erfahrung mit Sprachförderung“. Also wurde beschlossen, dass alle Kinder ab elf Jahren zunächst in die Alleenschule kommen sollen. Innerhalb einer Woche seien 20 Kinder angemeldet worden, so Bröckel. Weil die drei bestehenden VKL-Klassen schon voll waren, wurde eine Vierte nur für die ukrainischen Kinder eröffnet. 

Allerdings steige die Zahl der Kinder weiter an. Für die über 16-Jährigen gebe es mittlerweile Sprachförderung an der Jakob-Friedrich-Schöllkopfschule, so Bröckel. Weil die VKL-Klasse an der Alleenschule voll sei, werde an der Raunerschule eine weitere Vorbereitungsklasse eingerichtet. Die kann allerdings noch nicht starten, weil die Lehrerin, die bereits an Bord ist, noch keinen Vertrag hat. „Das Land kommt einfach nicht hinterher“, beklagt Thorsten Bröckel. 15 Kinder und ihre Familien sitzen deshalb auf dem Trockenen. „Das verstehen manche der Familien und auch diejenigen, die sie aufgenommen haben, überhaupt nicht“, sagt Bröckel. Die Lehrkraft, die die ukrainischen Jugendlichen an der Alleenschule unterrichtet, sei glücklicherweise schon unter Vertrag gewesen und habe ihre Stunden nur aufgestockt. Sonst würden Ivan, Mascha und Alina vielleicht immer noch untätig bei ihren Gastfamilien herumsitzen, statt Deutsch zu lernen. 

Spendenaufruf: Gesellschaftsspiele gesucht

Scrabble, UNO, Double, Ligretto, Activity und Vier Gewinnt: Die Alleenschule sucht für ihre Vorbereitungsklasse Gesellschaftsspiele. Spenden können in der Schule abgegeben werden. adö