Kirchheim
Ulrike Hauke-Kubel nimmt in „Wehmut und Dankbarkeit“ Abschied

Ruhestand Nach 36 Jahren – davon acht Jahre als Leiterin – verlässt Ulrike Hauke-Kubel die Kirchheimer Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule. Von Andreas Volz

Nach 36 Jahren – davon sieben als Abteilungsleiterin und acht als Rektorin – verlässt Ulrike Hauke-Kubel die Kirchheimer Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule. „Sie verbindet eine sehr, sehr lange Zeit mit dieser Schule“, sagte Martin
 

Ich bin stolz auf das, was wir als Schulgemeinschaft geleistet haben.
Ulrike Hauke-Kubel
Die Schulleiterin zeigt sich auch beim Abschied noch als Teamplayerin.

Sabelhaus, der Leiter der Abteilung Berufliche Schulen im Regierungspräsidium Stuttgart, bei der Verabschiedung. Dabei habe es nach dem Studium eher schlecht ausgesehen für Ulrike Hauke-Kubel und ihre angestrebte berufliche Laufbahn im Schuldienst: „Heute würden wir jeden nehmen, wenn wir ihn nur hätten. Damals aber war das komplett anders – es gab einen Einstellungsstopp für Lehrkräfte.“ Trotzdem konnte die engagierte Pädagogin 1987 gleich nach dem Referendariat ihre erste Stelle antreten – in Kirchheim, an der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule.

Als Schulleiterin habe sie mit vielen Herausforderungen zu kämpfen gehabt, stellte Martin Sabelhaus fest und nannte als Stichworte die Corona-Krise, die zunehmende „Heterogenität der Schülerschaft“ und die Notwendigkeit, Klassen für geflüchtete Jugendliche einzurichten. Nun beginne eine neue Zeit, die sich nicht mehr an der Schule orientiert, sondern am Privaten. Beleg dafür war die Urkunde, die Martin Sabelhaus verlas und kraft derer Ulrike Hauke-Kubel zum Ende des Monats in den Ruhestand versetzt wird. Im Anschluss gab es gleich die nächste Urkunde: Durch sie wird der bisherige stellvertretende Schulleiter Jens Kaiser auf den Chefposten befördert.

Landrat Heinz Eininger nutzte als Vertreter des Schulträgers die Gelegenheit, an die Landespolitik zu appellieren und mehr Unterstützung einzufordern: „Es ist schade, dass uns das Land beim Doppelhaushalt nicht berücksichtigt hat mit den dringend benötigten Mitteln für die Digitalisierung der beruflichen Schulen.“ Die Bedeutung dieser Schulart hob er in bewusst kokettierendem Understatement anhand seiner eigenen Person hervor: „Ich habe 1975 an der Albert-Schäffle-Schule in Nürtingen mein Abitur abgelegt – und aus mir isch au was worda.“

Ulrike Hauke-Hubel sei stets bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, sagte der Landrat und erinnerte in diesem Zusammenhang an ihre Anfangszeit als Schulleiterin: „Sechs Wochen nach Ihrer Amtseinsetzung 2015 mussten wir die Sporthalle umrüsten – für die Unterbringung von 250 Flüchtlingen. Wir waren in der Not.“ Heute kämpfe der Landkreis mit allen Mitteln darum, nicht erneut Hallen zur Unterbringung verwenden zu müssen.

Wegen der musikalischen Darbietungen zweier Schüler mit Tuba und Posaune kam Heinz Eininger auch auf die Partnerschaft der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule mit der Thelma Yellin High School of the Arts im israelischen Givatayim zu sprechen – wo es vor musikalischen und sonstigen künstlerischen Talenten nur so wimmelt: „Was da an Freundschaft und Partnerschaft zwischen diesen beiden Schulen gelebt wird, trägt auch dazu bei, Persönlichkeiten zu bilden.“

Christoph Nold, Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, ging auf die gute Zusammenarbeit ein, insbesondere beim Thema Fachkräftemangel: „Gemeinsam bieten wir frühzeitig Unterstützung an – gerade auch für diejenigen Auszubildenden, die an ihrem beruflichen Weg zweifeln und ihre Ausbildung abbrechen möchten.“

Stets ein offenes Ohr und eine offene Tür

Stellvertretend für das Kollegium der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule bedankte sich Susanne Bareiß für das stets offene Ohr und die stets offene Tür von Ulrike Hauke-Kubel. Mit bewundernswerter Ruhe und Gelassenheit habe sie es unter anderem fertiggebracht, bis Montag die neuesten, unverständlichen Regelungen der Corona-Verordnung zu vermitteln, die stets erst am Freitagnachmittag vermittelt worden waren.

Ulrike Hauke-Kubel selbst sprach von einem „Moment der Wehmut, aber auch der Dankbarkeit und des Stolzes, auf das, was wir als Schulgemeinschaft geleistet haben.“ Die jungen Menschen werde sie auf jeden Fall vermissen, denn die pädagogische Arbeit bezeichnete sie als „Antriebsfeder für meine Berufswahl“.

 

Klassenarbeiten werden zum „unverbindlichen Angebot“

Kirchheim. Einen überraschend deutlichen Einblick in die alltäglichen Probleme an Schulen gewährte Martin Zurowski, der Rektor der Nürtinger Albert-Schäffle-Schule, bei der Verabschiedung von Ulrike Hauke-Kubel an der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule. Es war seine erste vorgezogene Amtshandlung als ihr Nachfolger im Amt des Geschäftsführenden Schulleiters für die Beruflichen Schulen im Landkreis Esslingen.

Er berichtete aus der Arbeit an seiner Schule, die er für durchaus repräsentativ hält: „55 junge Menschen haben dieses Jahr bei uns das Abitur abgelegt – 55 von 85, die in Klasse 11 an den Start gegangen waren.“ Aber nicht nur die Abbrecherquote sei besorgniserregend. Auch mit dem Aufstieg, der bislang immer das Aushängeschild der Beruflichen Schulen gewesen sei, sei es in der Praxis weitaus schwieriger geworden: Nur noch einer der Abiturienten am Nürtinger WG sei von der Wirtschaftsschule gekommen. Einen Seitenhieb auf die aktuelle G 9-Diskussion konnte und wollte sich Martin Zurowski nicht verkneifen: „Das passt nicht zum Schlagwort der Ressourcenknappheit.“

Auch die Schülerschaft habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert: „Gemeckert wurde immer über die junge Generation. Aber irgendetwas scheint jetzt tatsächlich anders zu laufen.“ So lasse die Präsenzpflicht immer mehr nach. Stattdessen habe er im laufenden Schuljahr allein bei den Vollzeitklassen in 150 Fällen auf der Attestpflicht bestanden. Selbst Klassenarbeiten würden gemieden: „Vielen scheint die Leistungsmessung ein unverbindliches Angebot zu sein.“ Nicht nur die Belastbarkeit der Schüler gehe zurück, sondern auch ihr Wissen und ihre Motivation: „Wir mussten jetzt auch unsere Schülergenossenschaft dicht machen, weil wir niemanden mehr gefunden haben, der sich dort engagieren wollte.“ Abschließend stellte er zum „Absentismus“ als Problem fest: „Die rechtlichen Möglichkeiten, Schule zu vermeiden, sind aus Schulleitersicht unendlich.“

Das alles sei dem neuen Rektor der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule aber bestens bekannt: „Das ist für dich nichts Neues“, sagte Martin Zurowski zu seinem früheren Kirchheimer Kollegen Jens Kaiser. Und weil er nicht nur Negatives berichten wollte, sprach er die vielen guten und engagierten Lehrkräfte an, die es an den Schulen gebe und die zunehmend auch bereit seien, als Kollektiv Lösungen für die genannten Probleme zu finden.

In einer Art Kollektiv befinden sich auch die Schulleiter der Beruflichen Schulen im Landkreis. Insbesondere Ulrike Hauke-Kubel war – ebenfalls als frühere Kirchheimer Kollegin – für Martin Zurowski als Schulleiter „mein persönlicher Coach“. Jetzt habe sie in jeder Hinsicht eine „Chance auf ein Privatleben“. Andreas Volz