Kirchheim
Umweltschützer und Jäger wollen Klima- und Naturschutz vereinen

Naturschutz Die Energiewende ist auch für die Tierwelt überlebenswichtig. Experten haben auf dem Wildtierforum Lösungen diskutiert. Von Katharina Daiss

Wir müssen handeln und brauchen kluge Konzepte. Es geht um unser Überleben“, appelliert Karl-Heinz Lieber in der Dettinger Schlossberghalle zu Beginn des Wildtierforums, das der Landesjagdverband alle zwei Jahre veranstaltet. Der Leiter der Abteilung Naturschutz im Umweltminis­terium des Landes weiß: „Schon heute sind etwa 49 Prozent aller Arten in Baden-Württemberg gefährdet. Die Hauptursache liegt vor allem in der menschlichen Landnutzung. Der Klimawandel kann die Situation allerdings weiter verschärfen.“ Er fordert, dass Energiewende und Artensterben zusammen gelöst werden müssen.

Doch wo können Solar- und Windkraftanlagen auf den freien Flächen gebaut werden? Und was bedeutet das für die Tiere, die dort leben, auf der die Anlagen stehen sollen? Darüber klären Luca Bonifer vom Dialogforum „Energiewende und Naturschutz“ und Sabine Brand, BUND-Mitarbeiterin und Jägerin, auf.

Die klimarettenden Anlagen kos­ten Tausende Fledermäuse und Vögel das Leben. Fledermäuse können von den riesigen Rotorblättern tödlich geschlagen werden. Außerdem fallen die Flugsäuger immer wieder dem Barotrauma zum Opfer. Dabei platzen, bedingt durch Verwirbelungen und Druckabfall, die Lungen und innere Organe der Fledermäuse.

 

Stirbt ein einzelnes Tier, kann ​​​​​​die
Reproduktion für Jahre dahin sein.
Sabine Brandt
erklärt, wieso Windräder so gefährlich für Greifvögel und Fledermäuse sind.
 

Die Gefahr, mit den riesigen Flügeln der Windräder zu kollidieren, sieht Luca Bonifer auch für große Greifvögel wie den Milan, der keine Feinde von oben erwartet und bei der Jagd nach Nahrung vor allem den Boden im Blick habt. 100 000 Vögel fallen Schätzungen zufolge den Anlagen pro Jahr zum Opfer. Dabei entstehen tiefe Risse in der Vogelpopulation.

Um die Zahl an Todesopfern zu reduzieren, schlagen die Expertinnen vor, die Standorte der Anlagen aufmerksam auszuwählen und durch große Abstände Schutzzonen einzuhalten. So simpel wie hilfreich ist es außerdem, die Anlagen abzuschalten, wenn Greifvögel auf den frischgemähten Flächen eifrig Beute jagen.

Für Rehe und Wildschweine, die in den Wäldern rund um die Teck heimisch sind, ist die Windkraft übrigens kein Problem: Ebenso wie Füchse, Feldhasen und das selten gewordene Rebhühner meiden sie die Anlagen nicht, sondern gewöhnen sich an die fremden Ungetüme.

Photovoltaikanlagen scheinen für diese Tiere unproblematischer zu sein, solange sie keine Wildwege versperren oder sie gar auf die Straße leiten. Doch in Sachen Tierfreundlichkeit sind die Solarparks noch ausbaufähig, wie Frank Zabel weiß. In Schleswig-Holstein hat der Jäger bereits Erfahrung mit Anlagen gesammelt. Er weiß: Dort, wo Freiflächen-Photovoltaikanlagen gebaut werden, könnten sie sogar zu neuem Lebensraum werden. Und das geht laut dem Experten erstaunlich einfach: Werden die Zäune mit Hecken begrünt, finden Vögel, Insekten und Kleinsäuger dort neue Schutz- und Fortpflanzungsräume. Außerdem verdeckt das Grün den Blick nach innen. Das sorgt nicht nur dafür, dass das ästhetische Empfinden vieler Naturbesucher weniger gestört wird, sondern bietet Hasen und Bodenbrütern Sichtschutz, sodass sich die Tiere innerhalb der Solarparks niederlassen können.

Frank Zabel betont, dass in der Nähe von Photovoltaikanlagen Wasser niemals fehlen darf: „Die Solarmodule ziehen wegen ihrer glänzenden Oberfläche Wasserinsekten an. Ein angelegter Tümpel oder Teich kann für die kleinen Flugtiere lebensrettend sein.“