Dass man in der Esslinger Kreisverwaltung gerne kulturelle Brücken schlägt und mitunter sogar global denkt, konnte man wissen. Dass die Chinesen für Chancen und Risiken im Leben ein einziges Schriftzeichen kennen, wie der Esslinger Landrat Heinz Eininger in seiner Haushaltsrede verriet, haben die Mitglieder des Kreistags gestern gelernt. Trotz immer noch optimistisch stimmender Zahlen richtete Eininger bei der Vorstellung des Etatentwurfs für 2020 den Fokus dann aber doch lieber auf das, was er „erhebliche Haushaltsrisiken“ nennt. Der Urheber: das Land, das eine ganze Reihe von Finanzierungsfragen offen lässt. Doch dazu später mehr.
Zum neunten Mal in Folge hat Monika Dostal, die Finanzchefin im Esslinger Landratsamt, gestern ein Zahlenwerk vorgelegt, das Rekorde bricht. Über rund 868 Millionen Euro an Steuerkraft verfügen die 44 Städte und Gemeinden im Kreis - soviel wie noch nie zuvor in der Geschichte. Seit Beginn des Konjunkturbooms Anfang dieses Jahrzehnts hat sich diese Summe fast verdoppelt. Die Schatzmeisterin, die nach einem Plus von 4,1 Millionen Euro im laufenden Jahr auch 2020 von einem Acht-Millionen-Überschuss ausgeht , spricht wie ihr oberster Dienstherr von einer „soliden Basis.“
Trotzdem will die Verwaltung den Kommunen, die rund die Hälfte ihrer Steuereinnahmen für überwiegend soziale Aufgaben an den Landkreis abtreten, tiefer in die Tasche greifen. Nach Jahren der Entlastung soll die Kreisumlage erstmals wieder steigen: von 30,7 auf 32 Prozentpunkte. Schließlich schreibt man auch in den Rathäusern fast durchweg schwarze Zahlen. Die knapp 29 Millionen Euro an Mehreinnahmen brauche man dringend, weil auch die Kosten für soziale Pflichtaufgaben und den laufenden Betrieb in Schulen und im Nahverkehr gestiegen seien, begründete Eininger den Schritt, dem die Fraktionen im Kreistag bis zum Etatbeschluss am 12. Dezember allerdings erst noch zustimmen müssen.
Trotz immer noch guter Konjunkturlage und stabilem Arbeitsmarkt klettern die Sozialausgaben im Kreis kontinuierlich. Mit einem Plus von zuletzt 3,1 Prozent auf inzwischen 188 Millionen Euro. Mit ein Grund, weshalb sich die kommunale Seite von Bund und Land im Stich gelassen fühlt. Zurück also zu den Risiken: Während die Regierung in Stuttgart ihrerseits um einen ausgeglichenen Haushalt ringt, fürchtet man im Esslinger Landratsamt, auf Kosten im zweistelligen Millionenbereich sitzen zu bleiben. Es geht um die gesetzlich neugeregelte Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, für die der Kreis im Sozialbereich am meisten ausgibt, und um die Erstattung der Kosten für geduldete Asylbewerber. Zu beiden Themen gibt es bisher keine klaren Aussagen aus Stuttgart, aber Planansätze im Kreisetat. In Zahlen: 18,4 Millionen Euro, mit denen Eininger das Haushaltsrisiko beziffert, sollten sich beide Seiten bei diesen Themen nicht einig werden.
Kreise zweifeln an Zusagen
Gleichzeitig fehlen noch immer 22,7 Millionen Euro für die Notunterbringung von Geflüchteten in der Kasse. Eine Summe, die der Kreis von 2016 bis 2018 vorgeschossen hat und die das Land zurückzahlen muss. In den Landratsämtern fürchtet man nun, dass die einst abgesteckten Fronten bei der Finanzierung bröckeln, zumal man in der Landesregierung angesichts drastisch gesunkener Zuwanderungszahlen laut über eine Rückkehr zur Kostenpauschale nachdenkt. Bisher steht Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei den Kommunalverbänden im Wort, dass weiterhin nach Aufwand abgerechnet wird, nach der sogenannten Spitzabrechnung. „Überall dort, wo das Land in der Pflicht ist, gilt bisher das Prinzip Hoffnung,“ betont Eininger. „Die Landkreise werden andernfalls zu Ausfallbürgen der Versprechungen in Bund und Land.“