Kirchheim
Unwetter: „Das war wie eine Apokalypse“

Naturgewalt Bernd Czauderna steht nach dem schweren Unwetter vor dem Nichts: Der Hagelsturm wütete in der Landgärtnerei in Ötlingen. Von Thomas Krytzner

Die Unwetter der vergangenen Tage haben in der Region unzählige Schäden angerichtet. Schäden, die man nach der ersten Bestürzung und den Verhandlungen mit den Versicherungen rasch wieder vergisst. Die überschwemmten Keller trocknen wieder, zerborstene Scheiben werden ersetzt und die kleineren Katastrophen in privaten Gärten sind nach einiger Zeit beseitigt.

Für die betroffenen Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betriebe sind die Folgen weitaus schlimmer: Viele stehen vor dem Ruin. In Ötlingen hat es die Landgärtnerei von Bernd Czauderna besonders hart getroffen. „Ich stehe bei null“, beschreibt der Gärtner konsterniert die Situation.

Dabei hatte alles so gut angefangen. „Am Tag vor dem Hagelsturm bin ich noch über den Waldfriedhof in Kirchheim spaziert und freute mich über die blühenden, von mir betreuten Gräber.“ Auch im Betrieb waren die Resultate der monatelangen Arbeit zu sehen. „Die Kulturen wuchsen und gediehen prächtig.“

Als der Hagelsturm kam, wartete der 55-Jährige gerade auf die Lieferung der Herbstpflanzen. „Ich sah diese dunkle Zelle und im ersten Moment sah es so aus, als würde das Unwetter über die Alb wegdrehen.“ Doch dann ging plötzlich alles blitzschnell, wie sich Bernd Czauderna erinnert: „Das Wetter drehte sich, es wurde dunkel und sofort begann es zu hageln.“ Für den Gärtner begann damit eine halbe Stunde der Angst. „Es war wie eine Apokalypse, und am Schluss stand ich knietief im Hagel, der durch die Decke kam.“ Die Wucht der Hagelkörner zerschmetterte die Fensterscheiben. Zu allem Unglück drang auch noch Wasser in die Landgärtnerei ein. Mit Schrecken erinnert sich Bernd Czauderna: „Zum Glück hat die Stellwand die größten Wassermassen aufgehalten, sonst wäre es lebensgefährlich geworden.“

 

Ich weiß
gar nicht, wo ich mit Aufräumen anfangen soll.
Bernd Czauderna
Gärtner über die Situation in seinem Betrieb nach dem Hagelsturm

 

Mit dem Schicksal hadern
Der 55-Jährige ist froh, das Unwetter ohne Verletzungen überstanden zu haben. Die Schäden lassen ihn aber schwer mit dem Schicksal hadern. Die Pflanzen alle zerstört, in den Gewächshäusern liegt eine stinkende zentimeterdicke Schlammschicht. „Ich weiß gar nicht, wo ich mit Aufräumen anfangen soll“, sagt Bernd Czauderna traurig beim Anblick des Scherbenhaufens.

2008 hatte er sich seinen Lebens traum erfüllt und die Gärtnerei in Ötlingen übernommen. Er schätzt, dass ihn die Beseitigung der Unwetterschäden knapp ein Jahr beschäftigen wird. „Das Schlimmste ist der Schlamm. Ich bekomme ihn kaum aus den zerstörten Gewächshäusern raus.“ Er hofft, dass sich die Wetterlage nun beruhigt. „Letztendlich geht es nicht um den finanziellen Schaden. Ich bin viel mehr schockiert darüber, dass alles, was ich jahrelang erarbeitet habe, in so kurzer Zeit auf einen Schlag vernichtet wurde.“
Die Hagelversicherung wird den größten Teil der Fensterschäden übernehmen. Gegen Wasser und Schlamm ist die Gärtnerei allerdings nicht versichert. „Der Betrieb liegt weit entfernt von Gewässern, da rechnet man ja nicht mit Überschwemmungen.“

Moralische Unterstützung kann der gebeutelte Gärtner derzeit gut gebrauchen, und diese bekommt er auch, wie Czauderna bestätigt: „Eine Kollegin vom Nachbarstand auf dem Wochenmarkt ruft jeden Tag an und motiviert mich, weiterzumachen. Das baut mich auf.“ In dieser Zeit sei jede noch so kleine Hilfe ein Lichtblick. „Die Menschen können mir am ehesten mit finanziellen Mitteln helfen“, erklärt der Gärtner. Aus versicherungstechnischen Gründen darf er nämlich keine freiwilligen Helfer in den Betrieb zum Aufräumen lassen. „Das wäre viel zu gefährlich, weil am Boden überall Scherben liegen und Glas auch noch von den Dächern fallen kann.“ Er freue sich aber, wenn ihm Leute ein Vesper vorbeibringen, während er am Aufräumen sei. „Das lenkt ein wenig vom Saustall ab.“ Ob er weitermacht? „Da kommen oft grundsätzliche Fragen, wenn man jedesmal, wenn es regnet, um sein Lebenswerk zittern muss.“

Mitten in die hadernde Gefühlswelt des Gärtners legt sich aber dann doch ein Hoffnungsschimmer: „Die Kunden auf dem Kirchheimer Wochenmarkt motivieren mich, die Gärtnerei weiter zu betreiben.“ Und so verdrängt Bernd Czauderna die düsteren Gedanken und beschließt: „Am Samstag stehe ich mit dem, was ich noch verkaufen kann – wie gewohnt mit den Weidekörben – auf dem Markt.“ Sagt‘s, nimmt den Kärcher in die Hand und rückt dem Schlamm zu Leibe.