Kirchheim

Vermarkter setzen auf die Krise

Breitband Das Home-Office sehen Experten als Chance beim Netzausbau. Bis Jahresende sollen 80 000 Haushalte in der Region mit Glasfaser versorgt sein. Von Bernd Köble

Eine Lehre aus der Krise: Entspanntes Arbeiten von zu Hause geht nur mit einer schnellen Datenleitung.Foto: Carsten Riedl
Eine Lehre aus der Krise: Entspanntes Arbeiten von zu Hause geht nur mit einer schnellen Datenleitung. Foto: Carsten Riedl

Markus Grupp kann sich glücklich schätzen. Auch der Wirtschaftsförderer im Kreis Esslingen sitzt zurzeit nicht in seinem Büro im Landratsamt, sondern daheim im Home-Office. Ganz entspannt, denn Grupp wohnt im Kreis Göppingen, genauer gesagt in Lauterstein, wo der Bau einer Gasleitung jüngst dafür gesorgt hat, dass ein Großteil der Haushalte Glasfaser bis an die Tür gelegt bekamen. Seitdem rauscht es im Netz. Verbindungsprobleme? Das war einmal.

So wie Markus Grupp geht es derzeit nicht allen. Wackelbilder und Hacksprech bei beruflichen Videokonferenzen sind für allzu viele zurzeit noch immer Alltag. Was bisher allenfalls lästig war, wird plötzlich existenziell. Dabei wird vieles der Arbeit, die das Coronavirus nach zu Hause verlegt hat, dort bleiben. Davon sind die meisten Experten überzeugt. Home-Office ist effizienter, spart Geld und schont die Umwelt. „Unternehmen, die diese Vorteile erst einmal erkannt haben, werden sie auch weiter nutzen“, sagt der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann.

Die Hoffnung, die daraus erwächst: Dass die Krise als Katalysator beim Breitbandausbau wirkt. Wirtschaftsförderer Markus Grupp, der gleichzeitig Geschäftsführer des Zweckverbands Breitbandversorgung im Kreis Esslingen ist, rechnet fest damit, dass in naher Zukunft mehr Tempo in den Ausbau kommt und die Vermarktung schneller geht. Rund 80 000 Haushalte in der Region Stuttgart sollen bis Ende dieses Jahres einen Glasfaseranschluss haben. Bis 2030 sollen es 90 Prozent sein. So ist das Ziel, für das Bund und Land 1,1 Milliarden Euro lockermachen. „Ich gehe davon aus, dass unsere Argumente jetzt auf fruchtbareren Boden fallen werden und wir unsere Ziele dadurch schneller erreichen“, sagt Markus Grupp. „Vor allem viele Firmen erkennen jetzt, wie wichtig schnelles Internet ist.“ Und natürlich Schulen, die erstmals überhaupt flächendeckend auf digitale Unterrichtsgestaltung angewiesen sind. Grupp ist überzeugt: Die Coronakrise wird für einen Stimmungswechsel sorgen.

Bedarfsermittlung in der Bohnau

Ob dies auch in den Privathaushalten den Daten-Turbo zündet, wird sich schnell zeigen. In Plochingen und Wendlingen laufen zurzeit Erhebungen, wie groß das Interesse an Glasfaser direkt bis vor die Haustür ist. Bis zu einem Terrabit pro Sekunde verspricht die Telekom als Partner im Landkreis mehr als 2 400 Haushalten allein in Wendlingen. Die Bedingung: Mindestens 550 Kunden müssen mitmachen. Am Bedarf vorbei planen will angesichts der bevorstehenden Investitionen keiner. In Kirchheim soll noch in diesem Quartal die Vorvermarktung für den Breitbandausbau im Gewerbegebiet Bohnau starten. Aufgrund der aktuellen Situation erwartet auch der für Digitalisierung zuständige Bürgermeister Stefan Wörner einen Schub: „Die Krise zeigt nicht nur in der Verwaltung, dass vieles orstunabhängig geschehen kann.“

Corona eröffnet beim Thema Breitband aber nicht nur Chancen. Vieles gerät ins Stocken, weil Baustellen ruhen. Subunternehmen mit Kräften aus dem Ausland fehlen Mitarbeiter, Techniker lässt man zurzeit ungern ins Haus, Genehmigungsverfahren geraten ins Stocken, weil wichtige Termine nicht eingehalten werden können. Nicht nur im Kreis Esslingen mussten in den vergangenen zwei Wochen notwendige Info-Veranstaltungen in Bürgersälen abgesagt werden. „Wir treiben den Ausbau voran, aber unter erschwerten Bedingungen“, sagt der Unternehmenssprecher der Telekom, Christian Fischer.

Zahl der Telefonate hat sich verdoppelt

Home-Office und verstärkte Netztätigkeit in Corona-Zeiten haben nach Auskunft der Telekom momentan keine Auswirkungen auf Stabilität und Sicherheit des Datennetzes. „Das Netz ist absolut stabil und verarbeitet die aktuelle Situation problemlos,“ sagt Chris­tian Fischer, Sprecher des größten deutschen Netzanbieters.

 

Deutlich gestiegen ist die Zahl der Telefonate im Festnetz und Mobilfunk. Beides werde doppelt so häufig genutzt wie in normalen Zeiten. „Die Zahl der Gespräche und ihre Dauer sind aber ebenfalls kein Problem für das Netz“, sagt Fischer.

 

Ein Rückgang ist bei der Datennutzung im Mobilfunknetz zu verzeichnen. Wohl deshalb, weil die meisten Nutzer zurzeit über das heimische WLAN im Internet unterwegs sind. Nach Angaben der Telekom ist die Datennutzung gleichmäßig über den Tag verteilt. Es gibt demnach keine besonders stark frequentierten

 

Zeiten für das Arbeiten im Home-Office. Einzige Auffälligkeit: Die Menschen sind abends länger online. In den späten Abendstunden bis Mitternacht werde das Netz im Moment intensiver genutzt als in normalen Zeiten, meint der Telekom-Sprecher. bk