Kirchheim

Viel los und noch viel vor

Kirche Zweieinhalb Jahre lang waren die Kirchheimer Katholiken beim Prozess „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ dabei. Bei einer Versammlung zeigte sich: Es kam Konkretes dabei heraus. Von Peter Dietrich

Auf dem Markt der Möglichkeiten im Bohnauhaus bastelten Kinder und Erwachsene gemeinsam mit einem Clown des häuslichen Kinder- u
Auf dem Markt der Möglichkeiten im Bohnauhaus bastelten Kinder und Erwachsene gemeinsam mit einem Clown des häuslichen Kinder- und Hospizdienstes. Foto: Peter Dietrich

Es brodelt im Kessel, die römisch-katholische Kirche steht vor einem gewaltigen Reformstau. Ob Rom endlich die nötigen Schritte geht, ist noch offen, aber Veränderungen gibt es zumindest weiter unten. „Wir können nicht den Zölibat abschaffen oder das Pries­tertum für Frauen beschließen“, sagte die Gemeindereferentin Susanne Appl. „Aber wir haben auch jenseits der großen Themen viele Möglichkeiten.“

Die Gemeindeversammlung im voll besetzten Bohnauhaus sollte kein Ende des zweieinhalbjährigen Prozesses „Kirche am Ort - Kirche an vielen Orten gestalten“ sein, denn die Veränderung soll ja weitergehen, auch wenn das Prozessteam nun nicht weiter tagt. Susanne Appl und die Jugendreferentin Carolin Koepke sprachen von einem „Boxenstopp“. Sie sprachen auch nicht vom Rennwagen, sondern vom „Oldtimer-Reisebus“. Der habe zwar keinen Turbo eingebaut bekommen, „aber wir fah­ren noch!“.

Die Katholiken von St. Ulrich und Maria Königin in Kirchheim sind näher zusammengerückt. Es gab zwei gemeinsame Wochenendklausuren der Kirchengemeinderäte, bei der sie gemeinsam ein Selbstverständnis formulierten: Die Katholische Kirche in Kirchheim soll sich unter anderem dort zeigen, wo „durch gute Begegnung Solidarität und tragfähige Beziehungen entstehen“. Alle Gremien sollen ihre Entscheidungen künftig daran messen, ob sie diesen Zielen dienen. In der konkreten Umsetzung bedeutet das beispielsweise, dass für alle eigenen Veranstaltungen künftig regional, saisonal und fair eingekauft werden soll, so haben es die Kirchengemeinderäte beschlossen.

Bisher haben beide Kirchheimer Kirchengemeinden St. Ulrich und Maria Königin noch eine getrennte Homepage, doch der gemeinsame Webauftritt ist in Arbeit und soll 2020 ins Netz. Auch das jährliche Mitarbeiterfest feiern beide Gemeinden im Januar nächs­ten Jahres erstmals gemeinsam.

Nicht nur die Kommunikation nach außen kam in den Blick, auch nach innen. Denn die Seelsorgeeinheit ist groß, und nicht immer weiß die engagierte Katholikin aus Schlierbach, was es an den anderen Orten bis ins Lenninger Tal so alles gibt. Deshalb gab es bei der Gemeindeversammlung einen „Markt der Möglichkeiten“ mit rund 20 bunten Info- und Mitmachständen vom häuslichen Kinder- und Jugendhospizdienst bis zu Maria 2.0.

Jeden Donnerstag treffen sich die Frauen von Maria 2.0 im Bohnauhaus zum Gebet, denn Protest und Spiritualität gehören für sie zusammen. Für die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) fotografierte Akos Csernai-Weimer die Teilnehmer mit einem „Respekt“-Schild. Aus diesen Fotos wird eine große Collage entstehen. Alle katholischen Gebäude in Kirchheim sollen so ein Schild erhalten, als Hinweis, dass Hass und Ausgrenzung an diesem Ort keinen Platz haben. Das erste Schild wurde am Bohnauhaus angebracht, vor dem gemeinsamen Fackelzug zum Gottesdienst in Maria Königin. „Es muss nicht jeder alles neu erfinden, manches gibt es an anderen Orten schon“, sagte Carolin Koepke. Ihre Bilanz der zweieinhalb Jahre fällt sehr positiv aus.

Freuen darf sich das Kommunikationszentrum für interkulturelle Zusammenarbeit (KiZ) im Bohnauhaus. Die Kirche hat ihren bisherigen Zuschuss für das offene Jugendzentrum von jährlich 25 000 Euro verdoppelt. „Dadurch können wir über die Co-Finanzierung weitere Projektmittel bekommen“, sagte der KiZ-Leiter Wolfgang Schinko.

Besonders in den Blick kam durch den Prozess die Gottesdienstgestaltung, die mehr Vielfalt bekommen soll. Es gab bereits erste Werkstattgespräche. „Es darf auch andere Formen geben“, sagt Carolin Koepke - und andere Namen. Auf dem Schildchen von Kerstin Wacha steht zwar derzeit noch „Ehrenamtskoordinatorin“, doch sie weiß, dass Ehrenamtliche nicht koordiniert werden möchten. Wie sie lieber heißen möchte, beantwortet sie nach kurzer Überlegung: „Vielleicht Engagementförderin.“ Worauf es ihr jedenfalls ankommt, ist, dass Menschen sich mit dem, was sie begeistert, einbringen können, und dabei auch mal etwas Neues ausprobieren.

Etwas Neues hat beim „Markt der Möglichkeiten“ auch Susanne Appl kennengelernt: den Barbaraweizen, eine Tradition aus Kroatien - denn zur Seelsorgeeinheit gehören auch die italienische und kroatische Gemeinde. Manche Neuheiten sind gar nicht spektakulär, aber mit genügend Bewässerung wachsen sie.