Einfach zu Hause wohnen bleiben. Den Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu leben, hegen viele Menschen, unabhängig vom Alter. Dass dies auch für Senioren kein frommes Wunschdenken bleibt, dafür macht sich der Kreisseniorenrat stark. Es gibt vielfältige Angebote, damit die Menschen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können – bei den Nachbarn, die sie schon lange kennen, mit dem gewohnten Ausblick auf Terrasse oder Garten mit Vogelhäuschen.
Eines dieser Angebote ist das Projekt „Altersgerechtes und barrierefreies Wohnen mit ,ServicePlus‘“. Es wurde gemeinsam vom Kreisseniorenrat Esslingen und der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen entwickelt. Kooperationspartner sind der Landkreis Esslingen, die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, die Wohnberatungsstellen im Landkreis sowie die Innungskrankenkassen. „Der erste Impuls ist oft, die Wohnung oder das Haus altersgerecht umzubauen, um zu Hause wohnen bleiben zu können“, sagt Karl Praxl, erster Vorsitzender des Kreisseniorenrats Esslingen.
„Manchem Handwerker fehlt der mentale Einstieg für dieses Thema. Deshalb haben wir dieses Projekt gestartet, um die Betriebe für ,ServicePlus‘ zu sensibilisiren“, erklärt Karl Praxl. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und empfiehlt, schon beim Neubau an behinderten- und altersgerechtes Wohnen zu denken. „Ich bin Überzeugungstäter geworden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schnell es gehen kann, dass man zu Hause auch schon in jüngeren Jahren gepflegt werden muss – sei es wegen eines Unfalls oder Krankheit. Es kann jeden treffen“, sagt der begeisterte Motorradfahrer. Deshalb geht es für ihn auch um frühzeitige Planung. Das kann ein erhöhter Toilettensitz sein oder breitere Türen mit niedrigem Griff, damit man problemlos mit Rollator oder Rollstuhl durchkommt. „Ist der Handwerker sensibilisiert, kann er beraten und Tipps geben, was noch alles für die Mobilität in der Wohnung wichtig ist“, so Karl Praxl. Deshalb werden auch Fortbildungen für die Handwerker angeboten.
Sicherheit in den eigenen vier Wänden ist ein weitere Thema. „Wir sind regelmäßig in Kontakt mit der Polizei wenn es um Präventionsberatung geht. Das reicht von betrügerischen Machenschaften an Telefon und Haustür bis hin zu einbruchsicheren Fenstern. Corona hat uns jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir mussten Informationsveranstaltungen absagen“, bedauert Karl Praxl.
eigenen vier Wänden
hat sich verstärkt.
„Die Nachbarschaftshilfe ist in Dettingen das Fundament für Lebensqualität im Alter. Wir bieten Mittagstisch, Ausflüge, Beratung und freitags beispielsweise auch Tanzen im Sitzen an. Die Leute sollen so lange wie möglich im Haus wohnen bleiben können. Sehr selten machen sie sich darüber Gedanken, das Häusle zu verkaufen. Ins Pflegeheim gehen die Menschen in der Regel erst, wenn es nicht mehr anders geht“, ist die Erfahrung von Rudi Dölfel, aktiv beim Forum Altern in Dettingen und im Kreisseniorenrar. Dettinges Bürgermeister Rainer Haußmann erklärt dazu: „Wir versuchen zu helfen, damit die Menschen so lange wie möglich selbstbesstimmt leben können, wie sie es wollen. Wir beraten und geben Tipps, denn die Älteren haben auch Bedarfe, ebenso wie die Jüngeren.“ Manchmal genüge es schon, auf einen Gärtner aufmerksam zu machen, der den Garten pflegt.
„In der Hoch-Zeit von Corona hat man gesehen, wie abgekapselt die Menschen in den Pflegeheimen waren. Der Schrei nach den eigenen vier Wänden hat sich verstärkt“, konnte Karl Praxl beobachten. Über das DOLE-Netzwerk hielten die Ehrenamtlichen Kontakt zu den Senioren, die in Dettingen, Owen, Lenningen und Erkenbrechtsweiler zu Hause leben. „Einmal im Monat haben wir Kuchen ausgefahren und 10 bis 15 Minuten ein Schwätzle am Fenster gehalten oder telefoniert. Das war sehr hilfreich“, erzählt Rudi Dölfel. Da sich die Demenzgruppe in Brucken nicht treffen konnte, wurde den Senioren Geschenke oder Bastelsachen überreicht.
Schon beim Neubau kann man an altersgerechte Ausstattung in der Wohnung denken. Fotos: Markus Brändli
Mit 103 Jahren lebt Helene Renke gut
in ihrem Haus auf dem Dettinger Guckenrain
Gelassen sitzt Helene Renke auf ihrem Sofa mit Blick auf den Garten. Sie ist vielseitig interessiert, was beim Gespräch schnell klar wird. Tags zuvor nahm ihr Neffe sie zu einer mehrstündigen Albrundfahrt mit. „Das war sehr schön, hat mich aber doch ein bisschen angestrengt“, erzählt sie.
Seit 1952 lebt sie in ihrem Haus auf dem Guckenrain in Dettingen. Sie hat es zusammen mit ihrem Mann Oskar Renke gebaut, der gestorben ist und Gründungsmitglied bei Forum Altern war. „Ich darf noch ohne Schmerzen leben und mein Verstand ist wach. Das ist ein Segen und ein großes Geschenk, wenn man in meinem Alter gesund ist“, sagt die 103-Jährige.
„Ein Altersheim ist für mich nie zur Debatte gestanden“, sagt sie selbstbewusst. Sie genießt ihre gewohnte Umgebung, die Vögel im Garten und freut sich über die flinken Eichhörnchen. „Das ist ein schönes, freies Haus – das ist mein Leben“, erklärt Helene Renke ohne Pathos und lässt den Blick durch den Raum schweifen. Ganz allein lebt sie nicht in ihren eigenen vier Wänden. Eine Hilfe umsorgt sie, kocht und erledigt den Haushalt. „Meine Frauen sorgen gut für mich. Ich darf an einen gedeckten Tisch sitzen“, weiß sie diesen Service zu schätzen. Morgens liest sie die Zeitung und um halb Zwölf gibt es ein Piccolo. „Ich bin aber keine Säuferin“, stellt sie klar und sagt verschmitzt: „Bei mir herrscht Ordnung. Bis 9 Uhr wird gefrühstückt, dann lege ich mich ein bisschen hin und träum‘ von schönen Zeiten. Und nach dem Essen gibt es natürlich ein Mittagsschläfchen.“
Das Badezimmer ist ihren Ansprüchen entsprechend gestaltet. So hat die Dusche zum Beispiel einen montierten Griff zum festhalten, eine rutschfeste Matte sorgt für sicheren Halt. Das Klavier steht inzwischen bei ihrem Patensohn. „Ich kann leider nicht mehr spielen“, bedauert sie. Von manchen Gegenständen will sie sich aber nicht trennen. „Man hängt einfach an einigen Dingen“, sagt Helene Renke. ih